Rezension

Im japanischen Supermarkt

Die Ladenhüterin - Sayaka Murata

Die Ladenhüterin
von Sayaka Murata

Bewertet mit 4 Sternen

Keiko arbeitet als Aushilfe im Supermarkt und findet darin ihre Bestimmung. Gesellschaftlich wenig akzeptiert, sorgt sie dafür, dass die Kunden freundlich begrüßt, Waren perfekt sortiert und korrekt kassiert werden. Für Keiko ist dieser Job alles, auch wenn sie dadurch ins Abseits gerät.

Ich möchte allgemein ein bisschen bunter lesen und greife deshalb gezielt zu Büchern, die mich aus meinem üblichen Schema führen. „Die Ladenhüterin“ habe ich aufgrund einer Empfehlung gelesen, weil ich in japanische Literatur schnuppern will. 

Dieses Buch zeigt ein Bild von der japanischen Gesellschaft, das ich nur in Teilen verstehe, mich aber ausgezeichnet unterhalten hat und mir Einblicke in diese Kultur gewährt.

Hauptfigur Keiko war schon immer anders als andere Kinder in ihrem Alter. Sie ist in ihrer Kindheit durch Fehlverhalten aufgefallen, versteht es nicht, sich an gesellschaftliche Vorstellungen anzupassen, und hat dadurch, einen rumpelten Start ins Leben. 

Dabei ist sie keine typische Querulantin und legt sich nicht bewusst mit den gesellschaftlichen Normen an. Es ist eher so, dass sie die Vorstellungen und Werte nicht begreift. 

Als Erwachsene hat sie dennoch ihre Berufung gefunden und arbeitet als Aushilfskraft in einem Konbini. Das Wort Konbini ist die japanische Abkürzung für Convenience Store. Es handelt sich dabei um einen Mini-Supermarkt, der das ganze Jahr über rund um die Uhr offen hat.

Damit sieht sich Keiko als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft, was sich darin äußert, dass sie von Familie, Freunden und Bekannten ihre Ruhe hat. Vorläufig drängt sie niemand, einen qualifizierteren Beruf zu ergreifen, zu heiraten oder sich anderweitig der Gesellschaft als würdig zu erweisen.

Doch mit zunehmenden Alter steigt der Druck auf Keiko. Was anfangs als Übergangslösung akzeptiert wird, wird nicht als ihre Berufung hingenommen. Sie wird gedrängt, einen ordentlichen Beruf zu ergreifen, einen Mann zu finden und eine Familie zu gründen.

Der:die Leser:in erfährt anhand von Keiko den Alltag im Konbini und merkt rasch, wie wichtig diese Anstellung für sie ist. Sie geht förmlich in ihrem Berufsalltag aus Kundenumgang, zügiger Kassiertätigkeit und perfekter Warenanordnung auf und ist sich durchaus ihrer Andersartigkeit bewusst. Um diese zu überspielen, imitiert Keiko ihre Arbeitskolleg:innen im Supermarkt. Sie schaut sich Sprech- und Verhaltensweisen ab, um im Alltag zu bestehen.

Da ich mit japanischen Werten und Normen nicht vertraut bin, habe ich diesen Roman bestimmt nicht durchgängig verstanden. Trotzdem hat es mir ausgezeichnet gefallen, einen Blick in diese Kultur zu erhaschen. Anhand von Keiko erfährt der:die Leser:in von dem Druck, der in Japan herrscht, wenn man nicht den Erwartungen entspricht. Wenn ich es richtig verstehe, liegt den Japaner:innen sehr viel daran, Anerkennung zu erhalten und ein tüchtiges Mitglied der Gesellschaft zu sein. 

Keiko verkörpert mehr oder weniger das Gegenteil. Sie ist unverheiratet und eine Aushilfskraft im Konbini. Demzufolge weist sie keine gesellschaftlichen Erfolge auf. Es ist vielmehr ein Affront, dass sie trotzdem mit ihrem Leben zufrieden ist.

Meine Beschreibung liest sich trocken, dabei glänzt Autorin Sayaka Murata durch eine charmante Darstellung und Sinn für seidige Skurrilität. Sie beschreibt den Alltag im Supermarkt und Keikos Herangehensweise, ihre Gedankengänge und was passiert, als sie im Konbini auf einen weiteren Außenseiter trifft.

Mir hat mein Ausflug in einen japanischen Konbini an der Seite der Ladenhüterin erstaunlich gut gefallen. Ich bin mir sicher, dass ich mich ein weiteres Mal in die Gefilde japanischer Literatur wage und empfehle dieses Buch an jene, die leise, charmante und gesellschaftskritische Geschichten mögen.