Immer noch: Mann vs Frau
Eine Dystopie, von der wir (bei Erscheinen des Buches) nur noch 15 Jahre entfernt sind? In diesen 15 Jahren haben die Frauen die absolute Macht in allen Bereichen von Gesellschaft, Kultur und Politik an sich gerissen. Sie versuchen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen, in den Männer ihn über Jahrtausende befördert haben, aber das klappt natürlich nicht. Vor allem nicht sofort.
In diesen 15 Jahren wurde eine Verjüngungspille entwickelt, die, je nach Dosierung, um wenige Jahre bis hin zu Jahrzehnten die Haut strafft, die Figur verändert und die Haare in die Originalfarbe zurück verwandelt. Je nach Dosierung greift der Krebs an, mal schneller, mal langsamer. Wer alt aussieht, ist geächtet.
Die arme Hälfte des Volkes, die Männer, hat alles verloren, was sie auszeichnete: Die Befehlsgewalt im Staate, die Rolle als Familienvorstand und – gefühlt am schlimmsten – die sexuelle Orientierung. Auf Staatsämter kann man notfalls verzichten und die Rolle als Familienvater hat sowieso nicht immer Spaß gemacht, doch wenn man beim Sex nicht mehr weiß, wo es langgeht, … kann man sich eigentlich aufhängen. Oder, wie Sebastian, dafür sorgen, dass die alten Machtverhältnisse, zumindest im Keller des Eigenheims, wieder hergestellt werden.
Eigentlich ist Sebastian ein „Guter“; schon als Jugendlicher engagierte er sich politisch auf der „richtigen“ Seite gegen Umweltzerstörung, Ungerechtigkeit und Gedankenlosigkeit. Er wird zum Täter, weil er sich als Opfer fühlt und diese Rolle nicht länger spielen will. Ihn als Ich-Erzähler auftreten zu lassen, birgt die Gefahr, die Distanz zu einem eigentlich satirischer Thema zu verlieren. Und tatsächlich erzählt Sebastian seine ganze Geschichte bitterernst und humorfrei.
Von Gewalt bedroht fällt die ehemals selbstbewusste und angesehene Christine in die alten Rollenklischees: Um den Ehemann milde zu stimmen, backt sie seine Lieblingsplätzchen und stellt sich als unterwürfige Geliebte zur Verfügung. Er genießt es. Vor allem die ständige sexuelle Verfügbarkeit und den täglichen Akt an der Grenze zur Vergewaltigung.
An Duves Sprache ist nichts zu bemängeln, an einigen Stellen blitzt Ironie durch das Elend, aber irgendwie ist das Buch weder Fisch noch Fleisch, weder Satire noch Dystopie, weder Gesellschafts- noch Feminismuskritik. Von allem klingt ein bisschen an, aber es sind zu viele Themen, die oberflächlich gestreift werden.
Ich finde das Buch einfach nur unsympathisch. Auch wenn ich Duve gern mag.