Rezension

In bester Tradition des Antipop!

Fleisch - Simone Meier

Fleisch
von Simone Meier

Bewertet mit 4 Sternen

Alle sind irgendwie unzufrieden, auch wenn man gerne so tut als wäre es anders. Anna hat keine Lust mehr auf Max, allein sein will sie allerdings auch nicht. Max hat auch keine Lust mehr auf Anna - wobei, eigentlich doch. Das will er sich allerdings nicht mal selbst eingestehen, da ist ihm junges Fleisch für den Moment lieber. Auch wenn er das bezahlen muss. Aber was ist schon Geld. Für Lilly ist das wiederum so einiges, denn ihr fehlt es genau daran. Und natürlich an einer normalen Familie. Welche Eltern kommen schon auf die Idee, den auffälligen Bruder zur großen Schwester abzuschieben, nur weil sie selbst mit ihm nicht mehr klarkommen? 

Viele Stimmen bezeichnen dieses Buch als ekelhaft. Als unschön zu lesen. Als vulgär. Und all das will ich nicht abstreiten, weil es unleugbar wahr ist. Aber genau so soll es auch sein. Der Schreibstil, die Sprache, die Ausdrücke - all das zeichnet das Leben eben genau so ungeschönt und ekelhaft, wie es manchmal ist. 
Auch wenn wir uns selbst gerne einreden, dass sowieso alles rosarot ist und Glitzer hustende Einhörner vor uns herpreschen - wenn wir mal ganz kurz ehrlich zu uns sind, ist das doch Schwachsinn. 
Das Leben kann widerlich, dreckig und gemein sein. Und genau das sind Meiers Protagonisten, ihre Geschichte auch.  
Klar kann man darüber diskutieren, ob es Kraftausdrücke dazu wirklich braucht. Mich hat es nicht gestört, kann aber sicher auch daran liegen, dass ich eher unzensiert denke. Wichtig war mir, dass es nicht gestellt wirkt - und das tut es nicht. Ich konnte mich also rundum zufrieden in den Schmutz der Welt kuscheln.  
Für mich hat das ganze ein bisschen was von Bernemann und Katherine Dunn - Antipop eben. Das muss nicht hübsch anzuschauen sein. Aussage muss es haben. Und daran mangelt es nun wirklich nicht. 

Meiers Buch ist sicher nichts für jedermann - und wenn man sich lieber in wohlige Liebesschmonzetten kuschelt ist das auch ok. Dann wird einem "Fleisch" aber sicher nicht gefallen und man kann gleich die Finger davon lassen. Mir hat's gefallen wirklich. 
Den fünften Stern gibt es nur nicht, weil ich das Buch mit Vertretern seiner Art ja irgendwie vergleichen muss - und ein Bernemann ist eben noch einen Ticken sprachgewandter, eine Katherine Dunn bringt einem beim Lesen eben noch ein bisschen mehr zu denken. Wenn man im Vergleich mit solchen Größen allerdings mit 4 von 5 Sternen abschneidet hat man definitiv verdammt viel richtig gemacht!