Rezension

In seiner Wichtigkeit doch schwer zu ertragen

War’s das jetzt? -

War’s das jetzt?
von Holly Bourne

Bewertet mit 4 Sternen

Holly Bourne gehört meiner Meinung nach zu den völlig unterschätzen Autorinnen. Ob sie nun für Jugendliche oder Frauen schreibt, ihre geschriebenen Werke sind einfach jedes Mal ein Mehrwert, denn sie blickt tief. Und das noch nicht mal mit ihrem Stil oder besonderer Wortgewandtheit zu tun, sondern mit ihrem Talent so zu schreiben, wie Leute wirklich fühlen und das völlig unverblümt. Zuletzt hat sie das mit der Reihe für Jugendliche, „Spinster Girls“ bewiesen, wo sie die Herausforderungen von weiblichen Jugendlichen zwischen Feminismus und jugendlichen Schwärmereien eindrucksvoll beleuchtet hat. Mit „War’s das jetzt?“ geht es diesmal um eine Frau in einer toxischen Beziehung, auch ein wichtiges Thema, da es genug Frauen, aber sicherlich auch Männer in solchen Beziehungen gibt, die aber die Reißleine nicht ziehen können.

Gleich vorweg kann ich sagen, dass ich zwar Bournes schonungslos ehrlichen Stil sehr bewundere, aber bei der Thematik einer toxischen Beziehung, die fast zur Selbstzerstörung führt, kommt auch auf den Leser eine ordentliche Portion emotionale Belastung hinzu. Ich hätte wahnsinnig oft schreien können, weil das, was Hauptprotagonistin Tori denkt und macht, so schrecklich ist, dass es kaum zu ertragen ist. Wo ich bei meiner Freundin sofort den Drang verspüren würde, etwas zu sagen oder auf welche Weise auch immer zu helfen, war ich als Leserin zur Untätigkeit verbannt und das hat unendlich geschmerzt. Es ließ sich zum Glück flüssig lesen, denn ansonsten hätte ich es wahrscheinlich irgendwann in die Ecke gepfeffert, um dann erst wieder runterzukommen. Aber das Leseerlebnis ist auch wie eine Achterbahnfahrt. Wo man mit ihr leidet, da wird einem im nächsten Moment ein Brotkrumen hingeworfen, wo man wieder Hoffnung schöpft, damit die Blase dann schon wieder zerplatzt wird.

Und obwohl es oft am Rande des Ertragens war, so muss ich definitiv auch anerkennen, dass Bourne die Geschichte einer Frau geschaffen hat, bei der sich jede einzelne Leserin, vielleicht auch sogar Leser, zu einem gewissen prozentualen Teil mit identifizieren können. Während Toris Geltungssucht nach digitaler Aufmerksamkeit mir nicht ferner liegen könnte, so ist das ewige Vergleichen mit Gleichaltrigen, sei es nun angesichts des Körperzustandes oder an dem, was sozial schon erreicht wurde, mir definitiv nicht unbekannt. Vieles von dem, was Tori gedacht oder teilweise sogar ausgesprochen hat, hat in mir bewogen zu sagen: „Das kenne ich doch!“ Und die Botschaft ist so wichtig. Indem Bourne diesen Typ Beziehung nicht beschönigt hat, sondern eher mit allem, was sie hat, in den Boden gerammt hat, ist es auch ein Weckruf und was für einer! Am Ende fand ich es nur etwas schade, dass mit dem Beziehungsende auch das Buch endet, denn es sollte eigentlich klar sein, dass es eben nicht nur die Beziehung war, die Tori so zugesetzt hat, sondern sie hat eben auch genug eigene Dämonen gehabt, die in dieser Beziehung besonders gefüttert wurden. Im Grunde geht mit dem Ende der Selbstheilungsprozess erst richtig los.

Fazit: „War’s das jetzt?“ ist definitiv ein extrem eindrückliches Buch, das unseren aktuellen Zeitgeist perfekt auffängt und das schonungslos ehrlich. Daher kann man nicht unbedingt von einem Lesevergnügen sprechen, weil man viel zu viel im Prozess des Lesens leidet, aber das Buch ist wichtig und das ist seine Stärke.