Rezension

Innenansichten

Tod in Weißen Nächten -

Tod in Weißen Nächten
von G.D. Abson

Bewertet mit 4 Sternen

In St. Petersburg verschwindet Zena Dahl, die Adoptivtochter des schwedischen Milliardärs Geschäftsmannes Thorsen Dahl. Da dieser Fall zu diversen politischen Verwicklungen führen kann, wird die Kommissarin Natalya Iwanowa beauftragt die Sache schnell und diskret zu klären. Normalerweise ist sie eher für Fälle häuslicher Gewalt zuständig und deshalb besonders motiviert das Verschwinden der Studentin aufzuklären. Mit viel Ehrgeiz und ohne Angst in irgendeines der tausend Fettnäpfchen, die so eine Sache mit sich bringt, zu treten, beginnt sie mit den Ermittlungen.

Der Einstieg in die Geschichte ist ein bisschen verwirrend. Zuerst lerne ich Kristina kennen, eine junge Frau, deren Mann offenbar im Gefängnis ist und die - warum auch immer - von zwei Männern dauerhaft bewacht wird. Sie versucht mit ihrer kleinen Tochter Xenija und einem anderen Mann zu fliehen aber Fluchtwagen verunglückt unterwegs, was allerdings mit den Insassen passiert - wer weiß? Diese Flucht spielt sich Silvester 1999 ab, denn im Autoradio läuft die Nachricht, das Boris Jelzin zurückgetreten sei und Wladimir Putin kommissarisch die Regierung übernimmt.

Party

Als nächstes lerne ich Zena Dahl und ihre Freundin Julija kennen, die eine rauschende oder eher berauschende Partynacht erleben. Das Ende ist eher weniger berauschend, denn Zena wird irgendwann begrapscht, überfallen, vergewaltigt und dann von einem ihr fremden Mann gerettet. Der Fremde kennt ihren Namen, was darauf schließen lässt, dass er gar nicht so fremd ist. Mich beschleicht der Gedanke, dass die Schwedin Zena vielleicht das kleine Mädchen Xenija aus dem Fluchtwagen ist? Aber was will dann ihr angeblicher Retter von ihr?

Natalya

Nach diesen beiden kleinen “Vorgeschichten” kommt dann endlich Kommissarin Natalya Iwanowa ins Spiel. Üblicherweise ist sie für Fälle von häuslicher Gewalt zuständig, wird nun aber, auch für sie überraschend, auf die verschwundene schwedische Studentin angesetzt. Natalya sorgt nun dafür, dass ich mich im mir völlig fremden Russland ein bisschen zurecht finde. Ich lerne etwas über Einkaufs-, Koch- und Essgewohnheiten, aber auch über das ständige Misstrauen dem Staat und seinen Einrichtungen gegenüber kennen. Natalyas  Mann Mikhail ist ein höherer Dienstgrad bei der Polizei und der beste Freund ihres stellvertretenden Offiziers Rogow und selbst in diesem relativ kleinen Kreis traut Natalya noch nicht einmal ihrem Mann.

Misstrauen

Dieses allgemeine Misstrauen ist auch sicher in weiten Teilen berechtigt, denn im Hintergrund lauert überall der FSB, also quasi der etwas modernerer KGB. Sie beobachten anscheinend alles und jeden. Langsam aber sicher bekomme ich ein Gefühl für das wirklich komplizierte Leben in Russland. Mikhails Anton aus erster Ehe soll z. B. studieren - also musste erstmal die Schule bestochen werden für das Abitur, dann der Leiter der Universität für einen Studienplatz - kann man das nicht, dann muss der Nachwuchs halt zum Militär. Selbst für eine simple medizinische Behandlung muss man jemanden Geld in die Hand drücken.

Hilfe

Natalya Iwanowa sticht als Protagonistin aus diesem Meer aus Korruption und Bestechung weitestgehend hervor - was allerdings nicht förderlich für ihre Karriere ist. Allerdings ist sie auch keine Superheldin, sondern eine ganz normale Frau mit all den Sorgen und Nöten einer ganz normalen Frau. Ich finde sie sehr sympathisch und durchaus bodenständig in ihrem Bestreben ihren Instinkten und nicht den Vorgaben des FSB zu folgen. Aber auch ihr Mann ist gar nicht so übel, wie Natalya es manchmal glaubt und hilft ihr eher unauffällig dabei herauszufinden was mit Zena passiert ist.

Ende

Für mich ist, zumindest in diesem ersten Teil der Serie, das hervorstechendste die Atmosphäre die der Autor aufbaut. Aber auch der Krimianteil ist natürlich nicht zu verachten und umfasst eine riesige Spanne an Themen wie Korruption, beinahe alltägliche häusliche Gewalt, Bandenkriminalität, Schießereien und Verfolgungsjagden. Etliche Drehungen und Wendungen lassen mich im Verlauf den etwas langatmigen Start in die Geschichte vergessen und führen zu einem für mich passenden Ende.

Mein Fazit:

Tod in weißen Nächten von G.D. Abson hat mich mit seinem beinahe grobkörnigen und etwas rauem Charme wirklich einfangen und begeistert. Ich freue mich auf jeden Fall auf eine Fortsetzung