Rezension

Innovative Idee mit guter Umsetzung und extrem abgehacktem Ende

Purlunas - Cathrin Kühl

Purlunas
von Cathrin Kühl

Klappentext:
Endlich beginnt für die vierzehnjährige Evi Heinrich das erste Jahr in der Elementer-Schule Purlunas. Nach einem Jahrzehnt der Flucht kehrt sie zurück nach Heilquell – eine der letzten freien Städte der Elementerwelt. Schnell stößt sie auf immer mehr Geheimnisse: Warum verbieten ihre Mutter und Großmutter, über ihren Vater zu sprechen? Wieso gibt es nur zwölf Schüler pro Jahrgang auf Purlunas? Zeitgleich übermannen Evi Astralprojektionen und ziehen sie in eine vergessene Zeit, in welcher sie den Fluch des letzten Rosacallum entdeckt. Dieser könnte die Jagd des tyrannischen Weltherrschers Gideon auf sie beenden oder ihn dazu veranlassen, sie erst recht zu töten...

Einordnung:
- Der letzte Fluch (Teil 1)
- Der Geistertrank (Teil 2)
- eventuelle Fortsetzungen

Rezension:
Zwar kann ich mich nicht daran erinnern, schon einmal ein Buch über Elementer gelesen zu haben, aber auch verglichen mit anderen übernatürlichen Fähigkeiten, sind Cathrin Kühls Ideen sehr innovativ. Die Schüler der Schule Purlunas lernen neben Telekinese und Telepathie auch, fünf verschiedene Elemente zu beherrschen: Erde, Feuer, Wasser, Luft und Geist. Doch das tun sie nicht, indem sie den Kern ihrer Kraft finden und nutzen. Stattdessen wird jedes Element durch eine unterschiedliche Emotion ausgelöst. Wasser beispielsweise entsteht durch Angst, Feuer dagegen durch Aufregung. Die Elementer müssen sich in diese Gefühle hineinsteigern, sodass sie nicht zwingend jedes Element gleich gut beherrschen. Es sorgt auch für spannende Szenen, denn nicht in jedem Moment hat ein Elementer die passende Emotion zur Hand. Und selbst wenn, heißt es noch lange nicht, dass die Emotionen nicht überschäumen können.
Eine weitere Fähigkeit, die in der Welt der Elementer auftritt, sind die sogenannten Astralprojektionen. Nicht jeder Elementer besitzt diese Gabe, in der der Geist aus dem Körper in eine andere Zeit und an einem anderen Ort gezogen wird. Angeblich sind diese Astralprojektionen, von denen sowohl Evi als auch ihre Mutter Hanna heimgesucht werden, nicht kontrollierbar. Sie übermannen Evi in den ungünstigsten Situationen und führen sie an Orte, die sie niemals sehen wollte. Ihre Reisen quer durch die Zeit helfen Evi dabei, ihre Neugier zu befriedigen und ein uraltes Geheimnis zu lüften. Ganz geschickt hat die Autorin dies schon am Anfang eingebracht, sodass der Leser einen undeutlichen Ausblick auf Geschehnisse bekommt, die möglicherweise noch in der Zukunft geschehen.
Doch nicht nur die tatsächliche Handlung baut Spannung in der Geschichte auf, sondern auch die Konstruktion der Charaktere. Chris, ein Mitschüler von Evi, ist mir beispielsweise sehr sympathisch und ich habe mit ihm gefiebert, ob er mit seinen Schwärmereien für Evi eine Chance hat. Dagegen ist Sandra, die eine Stufe über Evi ist, von vorne bis hinten unsympathisch. Doch wie das Leben so spielt, sind Evi und ihre Freunde doch einmal auf Sandras Hilfe angewiesen und die ganze Zeit habe ich auf den Moment gewartet, in dem sie ihnen schadenfroh in den Rücken fällt. Auch die Lehrerinnen bereiten mir immer wieder Kopfzerbrechen. Zu Beginn sind sie sehr sympathisch, doch plötzlich wird eine zur wilden Furie, während die andere auf einmal mit dem tyrannischen Weltenherrscher per du ist. Die überraschenden Wechsel im Verhalten verschiedener Personen haben mich wirklich paranoid gemacht, sodass ich mir nicht mehr sicher bin, welche Charaktere auf der guten Seite stehen und welche nicht.
Besonders aufgefallen ist mir, dass die Autorin über das ganze Buch hinweg sehr auf Authentizität geachtet hat. Evi ist mir ihren 14 Jahren keine starke, kluge, unerschrockene Heldin. Auch sie muss manchmal Niederlagen einstecken, braucht Hilfe von ihren Freunden oder kommt nur wegen ihres Überlebensinstinkts davon. Sie besitzt auch nicht die Weitsicht einer Erwachsenen, sondern geht nur die Dinge an, die sie vor der Nase hat. Nachdem sie beispielsweise den Fluch entdeckt hat, der über Purlunas liegt, möchte sie ihn gerne brechen. Dass das nicht nur einen gebrochenen Fluch, sondern auch weitreichende Konsequenzen für die Schule und die benachbarte Stadt Heilquell nach sich ziehen würde, realisiert sie überhaupt nicht. Das alles macht Evi Heinrich zu einer sehr angenehmen Protagonistin.
Nichtsdestotrotz sind mir auch einige Punkte negativ aufgefallen. Unter anderem ist es ein wichtiger Bestandteil der Geschichte, dass es nur zwölf Schüler pro Jahrgang in Purlunas gibt. Diese Tatsache geht allerdings in der Geschichte vollkommen unter, bis es explizit angesprochen und gleich auch eine Begründung dafür geliefert wird. Wer von der Begrenzung der Schülerzahl also nicht aus dem Klappentext weiß, der bekommt das Rätsel zeitgleich mit der Lösung präsentiert – nicht optimal für die Spannung.
Am meisten störe ich mich aber noch immer am Ende der Geschichte. Das ist zum Teil die Schuld der Autorin, weil die Szene einfach mittendrin abbricht. Der zweite Teil der Reihe wird eine ganze Menge Aufklärungsarbeit leisten müssen, so viele offene Handlungsstränge wie es noch gibt. Zum größeren Teil ist das wohl aber Ungeschicktheit des Verlags, gepaart mit meiner Angewohnheit, Überschriften nicht zu lesen. Das letzte Kapitel endet 30 Seiten vor Ende des Buches ganz unten auf der linken Seite, worauf auf der rechten Seite direkt die Danksagung folgt. Da ich Überschriften eigentlich nie lese, bin ich von der Geschichte direkt in die Danksagung gerasselt und habe so tatsächlich das Ende der Geschichte verpasst. Ich konnte ja aber auch nicht ahnen, dass der Verlag ganze 30 Seiten Leseproben und Vorstellungen anderer Bücher ans Ende heftet...

Fazit:
Das Buch ist an vielen Stellen so spannend, dass ich durch die Seiten geflogen bin und dann zurückblättern musste, um meine Notizen zu machen. Die eigentliche Handlung trägt dazu ebenso bei wie die Konstruktion der vielseitigen, undurchsichtigen Charaktere. Unter anderem dadurch regt das Buch sehr zum Nachdenken an, da es viel Platz für eigene Theorien und Vermutungen bietet. Besonders geeignet ist das Buch wohl für Leser, die viel auf Authentizität achten, denn diese steht hier ganz hoch im Kurs. Als einziger Kritikpunkt bleibt anzumerken, dass das Ende der Geschichte so plötzlich kommt, dass ich es verpasst habe. Insgesamt ist „Purlunas – Der letzte Fluch“ aber deutlich mit Herzblut geschrieben und bekommt daher vier Schreibfedern.