Rezension

interessant und wichtig, aber ich hatte mehr erwartet

Hildegard von Bingen - Maria Regina Kaiser

Hildegard von Bingen
von Maria Regina Kaiser

Bewertet mit 3.5 Sternen

Nachdem ich die Romanbiografie über Gabriele Münter von Stefanie Schröder gelesen habe, viel mir nun in dieser Reihe das Buch von Maria Regina Kaiser über Hildegard von Bingen „Die mächtigste Nonne des Mittelalters“ in die Hände. Sicherlich ist bereits eine ganze Bibliothek über die berühmteste Nonne erschienen, von daher war meine Erwartungshaltung sehr hoch. Die romanhafte Schreibweise über ihr Leben und Wirken zeigt so einiges über die Verhältnisse der damaligen Klosterangelegenheiten. Vor allem, wenn Priester und Nonnen sich eine Anlage teilen wollten oder mussten. Wer welche Regeln strenger oder auch nicht so streng auslegte und aus welchen Gründen. Und im Anhang dieses Buches finden sich biografische Daten über Hildegard von Bingen selbst und ihrer Weggefährten, eine Zeittafel rund um das Leben der Nonne, ein Glossar, genutzte und weiterführende Literatur sowie Hinweise auf fiktive Protagonisten.
Was ich ein bisschen Schade finde, ist, dass nicht einmal über die Anfänge ihrer Erkenntnisse über Heilpflanzen und ihre medizinischen Errungenschaften geschrieben wird. Kein „Heureka, jetzt weiß ich, warum dieses oder jenes Kraut so und nicht anders wirkt“, nur, dass sie diese hatte, darüber schrieb und anwendete. Eine Frau, die so zurückgezogen in den ersten Jahren lebte, dass ich mir gewünscht habe mitzubekommen, wie sie denn überhaupt zu ihren ersten Kontakten dazu kam. Der Klostergarten entstand ja erst spät.
Aber was die Autorin stark und eindrucksvoll vermitteln kann, sind die unterschiedlichen auch psychisch labilen Frauen im Umfeld von Hildegard von Bingen. Ihre nur wenig ältere Verwandte Jutta von Sponheim, mit der sie das erste Kloster zusammen mit wenig anderen Mädchen bezog, hat wohl seit dem Moment des Betretens des Klosters unerhört bis zu ihrem Tod gelitten. Selbstgeißelung, Hungern und andere Selbstverletzungen, wie durch Barfußlaufen auch im Winter erzeugte Erkrankungen, lassen auf eine schwere psychische Störung schließen. Zumindest bat Jutta von Sponheim wohl darum, dass ihr keine Andere nacheifern soll, dass sie die Benediktinerregeln viel weiter für sich auslegte. Hildegard von Bingen nahm diese für Körper und Geist nicht gute Lebensweise zum Anlass, ihren unter ihrer Fittiche stehenden Frauen und auch um Rat Fragende davor zu warnen. Leider war aber nicht nur Hildegard von Bingen ein Vorbild für andere junge Mädchen und Frauen, sondern auch Jutta von Sponheim für andere Frauenklöster, wie uns die Autorin weitreichend schildert.
Als zehntes Kind ihrer Eltern wurde die junge Hildegard von Anfang an der Kirche versprochen. Dass dieses kränkliche Kind trotz aller Widerstände immer wieder ihre Wünsche hat durchbringen können, lag wohl auch daran, dass sie früh gelernt hat, dieses „Kranksein“ für ihre Zwecke zu nutzen. Bewusst oder Unbewusst. Dass, wie im richtigen Leben, es nicht nur Freunde und Gönner im Klosteralltag vorkamen, schildert Kaiser anhand vieler Begebenheiten. Dabei war es ein Glück für Hildegard, einen wahren Zuhörer gefunden zu haben, der ihr glaubte, sie ermutigte, über ihre „Schauen“ zu schreiben. Und auch über die Zerwürfnisse zwischen Hildegard und ihren Vorgesetzten schreibt sie, wie schwierig es war, endlich unabhängig zu sein. Bis ins hohe Alter bleibt sie sich treu. Eine Frau, die Wegbereiterin für viele in der ganzen Welt noch immer ist, deren Wirken bis Heute anhält, ihre Schriften hoch geschätzt sind.
Im Internet findet sich eine Vielzahl von Angeboten und Hinweise rund um Hildegard von Bingen, sobald man ihren Namen in einer der Suchportale eingibt.