Rezension

Interessanter Blickwinkel auf eine andere Zeit

Die stumme Tänzerin -

Die stumme Tänzerin
von Helga Glaesener

Bewertet mit 4 Sternen

Mit „Die stumme Tänzerin“ von Helga Glaesener habe ich einen weiteren Roman gelesen, dessen Geschichte weit vor der Internetgeneration spielt. Im Hamburg 1928 versucht sich eine junge Frau, Paula, von ihrer Familie unabhängig zu machen und wird berufstätig.

In höheren Kreisen noch immer verpönt, versucht sie sich zunächst als Sekretärin in einer Firma, bis sie durch Zufall bei der ersten weiblichen Abteilung der Kriminalpolizei landet. Ihr Vater, aus kleinen Verhältnissen stammend und der bisher immer zu ihr gehalten hat, stimmt plötzlich mit der Mutter überein, dass das kein guter Beruf für sie ist. Sie soll in der Firma des Vaters unterkommen, er kündigt für sie sogar höchstpersönlich ihren Job.

Gott sei Dank ist der Oberste Chef der Polizei sehr dafür, eine weibliche Einheit zu haben. Er ist von den ersten Leistungen Paulas so beeindruckt, dass er sie nicht gehen lassen will. Und auch Paula selbst schafft es, sich zunächst aus den Fängen ihrer eigentlich geliebten Familie zu befreien; sie kommt bei Onkel und Tante unter. Gut für die Mordkommission, die Martin Broder leitet. Hauptsächlich bei den Männern merkt man die Nachwehen des letzten Krieges, auch bei Broder blitzen sie hin und wieder durch.

Um was es im dieser Geschichte geht?

Einer der Luden des Milieus, Waldemar Moor, vermisst seinen kleinen Sohn, erinnert sich daran, dass sie mit einer seiner Frauen im Zoo sein könnte und fährt ihnen nach. Als er sie dort nicht findet, rennt er in den naheliegenden Friedhof und findet dort tatsächlich seinen Sohn. Aber auch die Frau. Niedergemetzelt auf brutale Art und Weise. Sein etwas älterer Sohn, etwas einfältig gestrickt, versucht trotz seiner miesen Lebensumstände seinem Vater gegenüber der Polizei zu helfen.

Paula und ihre Kolleginnen, Kollegen und Chef Broder versuchen nun, den Fall zu lösen. Derweil hält nur die junge Tante, bei der Paula untergekommen ist, wirklich zu ihr, ihre Eltern versuchen weiterhin mit aller Macht, sie von der Kripo fern zu halten. Warum das so ist, eines dieser Geheimnisse erzählt ihr irgendwann ihre Mutter. Dessen ungeachtet macht die junge Frau weiter, auch, als ein weiterer Mord passiert.

Die Geschichten rund um Moor, seinen Söhnen und wie sich die Berufsverbrecher untereinander in sogenannten Vereinen zusammenschließen ist die eine Seite im Roman, eine weitere die von Paula, ihren Eltern sowie Onkel und Tante. Rund um die Kolleginnen von Paula gibt es ein streitbares Frauenpaar und ihr Chef Broder sieht die vor seinen Augen abspielenden Sozialdramen nicht.

Wie die Lebensumstände, die Art und Weise, wie Männer berufstätigen Frauen begegnet sind (und auch heute noch mehr als genug), beschreibt die Autorin anschaulich. Die durch fehlende Kommunikationsmöglichkeiten, wie sie es heute gibt, andere Erzählweise und die entsprechend dem Zeitgeist noch fehlende Routine, einen Mordfall zu lösen, macht den Roman erst recht interessant. Allerdings mag ich es nicht, wenn mehrfach hintereinander Absätze Wortgleich beginnen. Auch wird der Chef zu Beginn Broder, oder Martin Broder, genannt, plötzlich aber nur noch mit Martin, was mich doch irritiert hat. Eine gewisse Tiefe fehlt mir zwar ebenfalls, der Kriminalfall ist dennoch spannend und in seiner Auflösung hat es seine Überraschungsmomente. Ein weiterer Band „Das Kind der Lügen“ ist bereits erschienen.