Rezension

Interessanter historischer Kriminalroman

Gegen die Spielregeln - Philea Baker

Gegen die Spielregeln
von Philea Baker

Bewertet mit 4.5 Sternen

London, 1874: Als der Kessel des Dampfschiffes Bothnia explodiert und es mehrere Tote gibt, glaubt man zunächst an einen Unglücksfall, doch dann stellt sich heraus, dass Dynamit im Spiel war. Drei Menschen haben Grund Ermittlungen anzustellen: Inspector Orville Baker von der Metropolitan Police Services aus dienstlichen Gründen. Der Halblakota Ryon Buchanan, dessen Vater, ein amerikanische Schiffsbauingenieur bei der Explosion ums Leben kam. Und die Krankenschwester Alessa Arlington, deren Onkel, Vorsitzender des Lloyds Register of British and Foreign Shipping, der Tat dringend verdächtigt wird.

Alle drei Protagonisten sind sehr interessant, Baker, der zunächst ein „typischer“ viktorianischer Mann ist, der Frauen jede eigene Meinung abspricht, sich im Laufe des Romans aber verändert. Er und Alessa stoßen immer wieder aufeinander, wodurch sich manchmal nette Situation ergibt, die einen schmunzeln lässt. Im Gegensatz dazu ist Alessa eine junge Frau, die sich emanzipieren möchte, so arbeitet sie als Krankenschwester unter Florence Nightingale, möchte Medizin studieren und wagt einiges, um ihren Onkel zu entlasten. Ryon ist ebenfalls ein interessanter Charakter, alleine schon durch seine Herkunft. Er und Alessa entwickeln Gefühle füreinander, die sie aber nicht wirklich ausleben können – größtenteils auf Grund von Missverständnissen, wobei teilweise in diesem Band nicht mehr klar wird, ob nicht mehr Wahrheit dahintersteckt – ich habe hier oft den Kopf geschüttelt, weil man wieder einmal nicht den einfachsten Weg genommen und miteinander geredet hat.

Neben diesen Drei gibt es weitere interessante Charaktere, wie z. B. zwei homosexuelle Ärzte, die wegen ihrer Liebe Zuchthaus befürchten müssen, eine Bordellchefin oder die in ihren viktorianischen Ansichten gefangene Stiefmutter Alessias. Einige der Charaktere sind historische Persönlichkeiten wie z. B. der Schiffbauer Alexander Carlisle.

Schiffbau und die Konkurrenz unter den Werften ist ein großes Thema des Romans, z. B. wird das Blaue Band thematisiert, das das Schiff erhält, das als schnellstes im Jahr den Atlantik überquert. Die Autorin scheint mir sehr gut recherchiert zu haben, ich mag es sehr, solche historischen Hintergründe zu erfahren, und habe ein paar neue Dinge erfahren. Auch die sozialen Verhältnisse Großbritanniens jener Zeit werden thematisiert, nicht nur die der einzelnen Schichten, sondern auch die der Geschlechter, und die Doppelmoral, die damals herrschte. Sehr gut hat mir der Abschluss des Bandes (vor dem Epilog) gefallen. Der Epilog wiederum blickt nach vorne und macht gespannt auf den nächsten Band, denn „Gegen die Spielregeln“ ist der erste Band einer Reihe, der zweite Band ist bereits angekündigt. So macht es auch wenig aus, dass das Ende in gewisser Beziehung offen bleibt.

Der Fall jedoch ist abgeschlossen und zwar durchaus nachvollziehbar, auch wenn ich mir einen anderen Täter gewünscht hätte. Mal sehen, ob man im nächsten Band noch etwas über das Schicksal desjenigen erfährt.

Ich wurde gut unterhalten und habe Neues gelernt, die historischen Hintergründe sind interessant und gut recherchiert in den Roman eingeflossen, die Charaktere gefallen mir, und ich freue mich auf Band 2. Leider fehlt ein Nachwort, das Fiktion und Fakten aufgreift. 4,5 Sterne sowie eine Leseempfehlung vergebe ich sehr gerne.