Rezension

It goes on and on and on

Voran, voran, immer weiter voran
von Ryan Bartelmay

Bewertet mit 4 Sternen

~~Klappentext
Amerikanischer Mittelwesten, Anfang der 1950er-Jahre: Chic Waldbeeser hat gerade seine High-School-Liebe Diane geheiratet und sieht hoffnungsfroh in eine Zukunft als Familienvater und Eigenheimbesitzer. Sein Bruder Buddy ist ein ruheloser Geist, dem es schwerfällt seinen Platz im Leben zu finden und sesshaft zu werden, und der nicht weiß, dass seine Frau Lijy ihr eigenes Geheimnis hütet. Über fünfzig Jahre hinweg werden die beiden Brüder versuchen, trotz aller Schicksalsschläge und Niederlagen immer weiter zu machen. Und Chic wird im Alter noch eine letzte Chance bekommen, sein Glück zu finden.

 

„Sein Wunsch nach einer Verbindung zu einem Menschen oder einer Sache war so stark, dass er sich fühlte, als würde in seinem Inneren ein Mixer rotieren und ständig seine Sehnsucht umrühren.“ (Seite 281)

Die beiden Brüder Chic und Buddy sind die „eigentlichen“ Hauptprotagonisten. Sie müssen schon früh den Selbstmord ihres Vater erleben und die Flucht ihrer Mutter mit einem anderen Mann. Auf der Suche nach Liebe und Geborgenheit heiraten die beiden, jeder in der Hoffnung es besser zu machen als die Eltern. Doch die traumatische Erfahrung und erlernten Muster  in der Kindheit prägt ihr Handeln in der eigenen Familie.

Aber auch die anderen Protagonisten, und das sind in meinen Augen all die Menschen, die das Leben der beiden Brüder streifen oder teilen, haben ihr Päckchen zu tragen. Alle träumen von einem besseren Leben, eines das nicht so sein soll, wie dass der Eltern oder Menschen die ihnen nahe stehen.

„Aber sie wusste es besser. Denken blieb immer Denken, unabhängig von den Gedanken. Die Frage war, ob das Problem vom Denken kam oder von den Gedanken. Sie war nicht so von sich eingenommen zu glauben, dass die anderen bessere Gedanken hatten. Sie waren alle nicht schlecht dran, jeder Einzelne, die ganze Welt. Alle dachten nach, also musste es am Denken liegen, nicht an den Gedanken. Mit dieser Denkerei musste endlich Schluss sein.“ (Seite 244)

Jeder einzelne von ihnen versucht sich immer und immer wieder in einem Neuanfang, glaubt, wenn er es anders macht, könnte es klappen. Ein neuer Partner oder ein andere Wohnort. Andere Menschen und andere Städte. Doch schnell wird mir und auch den Protagonisten klar, sie fallen immer wieder in ihre alten und erlernten Muster zurück. Irgendwie ist kein wirkliches Entkommen möglich. Das lässt sie irgendwann erstarren. Sie glauben nicht daran, dass sie einen Neuanfang schaffen können, dass sie das Leben leben können, dass sie sich erträumen. Als Leser möchte ich sie rütteln und schütteln, und sie aus ihrer Erstarrung herausholen, denn diese Monotonie, die alle erleben macht mich kirre.

 

„Jeden zu kennen bedeutete, dass das Leben seine Überraschung verlor, und das kann Chic entgegen, weil er es nicht leiden konnte, wenn ihn das Leben aus dem Hinterhalt ansprang.“ (Seite 33)

Diese Monotonie bringt der Autor Ryan Bartelmay sprachlich sehr gut rüber. Die ganze Geschichte ist eher traurig und melancholisch geschrieben. Der Autor schafft es damit, dass ich die Verzweiflung der Protagonisten förmlich spüren kann. Ihr Bestreben etwas zu ändern, ihr Scheitern, ihren erneuten Versuch es zu wagen, ihre Resignation und letztendlich die Erkenntnis …

„Das Leben hat seine eigene Dynamik. Voran, voran, immer weiter voran.“ (Seite 297)

Dieses Buch spaltet wieder einmal die Leser. Viele halten es für langweilig und unaufgeregt. Mir persönlich hat dieses Buch sehr gut gefallen. Ein Buch, das man hinterfragen sollte, und nicht einfach runter lesen. Hier geht es in meinen Augen um Menschen, die erstarrt sind. In ihren Mustern festhängen. Aber sie sind auch Suchende … nach einem Ausweg aus diesen Mustern auszubrechen, es anders zu machen. Ob es ihnen gelingt? Lest selbst!

„Jeder Idiot kann eine Krise meistern;
es ist der Alltag, der uns zermürbt.“
                                         -Anton Tschechow

Diese Textzeile steht am Anfang des Buches. Hätte man jedoch die erste Zeile an den Anfang des Buches gesetzt du die zweite Zeile an das Ende des Buches, wäre diese Geschichte die Mitte gewesen, und die Aussage dieser Textzeile gibt den Inhalt des Buches wieder.

Eigentlich ist dieser Roman eine Geschichte über uns Menschen. Eine Geschichte in der es darum geht unseren Alltag zu meistern, unser Leben auf die Reihe zu bekommen … tagein, tagaus … die einen schaffen das spielend, die anderen tun sich schwer, verzweifeln sogar daran. Es geht darum erlernte Muster zu durchbrechen und etwas zu wagen, vielleicht sogar einen Neuanfang, egal wie alt man ist … denn …

„Some will win, some will lose. Some were born to sing the blues. It goes on and on and on.” (Textzeile aus “Don’t stop believing” von Journey; Seite 394)