Rezension

Kann man lesen

Voran, voran, immer weiter voran
von Ryan Bartelmay

Bewertet mit 3 Sternen

Ryan Bartelmay beamt uns zurück in die fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, mitten ins aufblühende Amerika, der Nachkriegsjahre. Man kann nicht sagen, dass die Heirat mit seiner High-School-Liebe Diane das Landei Chic Waldbeeser besonders glücklich macht. Schon die Hochzeitsreise gerät zu einer veritablen Pleite. Immerhin wird der junge Konservenprüfer dank der Ehe zu einem passionierten Onanierer. Sein Bruder Buddy glaubt gar Chic hätte seine indische Frau bestiegen, was eine Kettenreaktion aus misslichen Ereignissen auslöst, derer Chic nie mehr so richtig Herr wird. Seine letzte Chance seinem Rentnerleben noch einmal eine Wendung zum Guten zu geben scheint ihm eng mit Mary verbunden, einer nicht mehr ganz taufrischen ehemaligen Billardspielerin, die das Leben von allen Seiten kennengelernt hat. Außer den richtigen Mann zu treffen.

Das Buch ist wahrlich unkonventionell, mit skurril anmutenden Menschen, richtig schräg, was die Handlung angeht. Genau wonach ich suche. Zu Chic Waldbeeser, dessen Vorfahren aus Deutschland ausgewandert sind, fallen mir Eigenschaften, wie Sturheit, ein gerüttelt Maß an Dummheit, Durchhaltevermögen und Naivität ein, vielleicht hat der Kerl auch eine autistische Ade, keine Ahnung welche Persönlichkeitsstruktur sich da bei ihm eingenistet hat. Chic ist auf jeden Fall ziemlich abgedreht. Das Handlungsgerüst für den Roman wurde locker zusammengezimmert, munter springt der Autor durch die Jahrzehnte, am Ende klappt diese krude Geschichte leider restlos zusammen. Bis dahin haben sich durchaus komische Passagen mit Sinnbefreiten abgewechselt. Es passiert tragisches, die Lebenswirklichkeit dahinsiechender wird ebenso gezeigt, wie die Aufbruchsstimmung einer Inderin. Allerdings fehlt es auch an vielem. Geschichtliche Ereignisse werden am Rande abgehandelt, bilden aber eine interessante Kulisse für einen traumwandlerisch sicheren Schreibstil. Da will jemand an große literarische Vorbilder anknüpfen. Mir ist da aufgrund des leicht absurden Ambientes John Irving und ja- Jeffrey Eugenides in den Sinn gekommen. Aber deren Klasse verfehlt der Autor bei weitem. Dafür bietet das Ganze zu wenig Projektionsfläche, zu wenig geschichtliche Einbettung, wirklich glaubhafte Figuren und Handlungsweisen, die einem unter die Haut gehen und im Gedächtnis bleiben. Dieses Buch kann man lesen, muss man aber nicht.