Rezension

Jahre der Flucht

Zeus und Goldenberg - Franz Josef Brüseke

Zeus und Goldenberg
von Franz Josef Brüseke

Bewertet mit 5 Sternen

„...Er brauchte in der Regel zwei Unterrichtsstunden, dann wurde auch dem Letzten klar, dass mit ihm nicht zu spaßen war – nicht mit ihm und nicht mit der Geschichte...“

 

In der Stadt Hamm arbeitet Zeus als Lehrer. Der Erzähler ist einer seine Schüler. Wegen seine Jahresarbeit wird er von Zeus in seine Wohnung eingeladen. Er will, dass die Schüler nicht nur Auswendiggelerntes nachplappern, sondern selber denken. So erfährt der Erzähler die Geschichte, die hinter Zeus` Leben steht.

Zeus war im Waisenhaus aufgewachsen. Im Betrieb schließt er sich 1936 den Kommunisten an. Als die Mitglieder der Zelle verhaftet werden, sorgen sie dafür, dass Zeus verschont bleibt. Der wird entlassen und beginnt bei einem katholischen Pfarrer als Küster zu arbeiten. Zeus hat kein Problem damit, Katholizismus und Kommunismus miteinander zu vereinen. In der Gemeindebibliothek lernt Zeus Goldenberg kennen. Der ist Jude und versteckt sich hier vor der Deportation.

Der Autor hat einen beeindruckenden historischen Roman geschrieben. Der weitgehendst sachliche Schriftstil lässt mich die gesellschaftlichen Verhältnisse um so bewusster wahrnehmen.

 

„...Es ist schon kurios, wie ein Radio, ein mechanisches, technisches Ding, in die Politik verwickelt wurde. Der Tag der Machtergreifung Hitlers war fest in die Technikgeschichte eingraviert...“

 

Das Zitat spielt auf den Volksempfänger 301 an. An Goldenberg wird deutlich, wie die Isolation und die Angst um das Leben einen Menschen verändert.

 

„...Die Braunen.Für die ist das Judentum kein Glaube, sondern Rassenmerkmal. Sie können glauben oder nicht glauben, für die sind Sie immer ein Jude...“

 

Als der Pfarrer das erste Mal verhaftet wird, ist Zeus und Goldenberg klar, dass sie eine neue Perspektive brauchen. Außerdem muss Zeus mit seiner Einberufung zur Wehrmacht rechnen. Ich darf sie bei ihrer Flucht durch die nächsten Jahre begleiten. Zeus ist clever. Er windet sich geschickt aus manch schwierigen Situationen.

Gleichzeitig bekomme ich an verschiedenen Stellen ein bisschen Geschichtsunterricht. So versteckt sich Zeus bei seinem Bekannten Erwin. Der klärt ihn über die unterschiedlichen Interessenlagen im spanischen Bürgerkrieg auf.

Das Buch „Sein und Zeit“ von Martin Heidegger durchzieht wie ein roter Faden das Geschehen. Dabei kommt es zwischen Goldberg und dem Franzosen Mathieu in Paris zu interessanten Diskussionen.

 

„...Wenn man sich seiner Freiheit bewusst ist, dann ist man frei, selbst wenn man in Ketten liegt...“

 

Gerade diese philosophischen Gespräche sind für mich einer der Höhepunkte der Handlung. Sie gehen in die Tiefe und zwingen dazu, sich eigene Gedanken zur Thematik zu machen.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es vermeidet jede Schwarz – Weiß – Malerei und geht sehr differenziert mit den Fragen der Schuld um.