Kein Mängelexemplar, sondern intelligent und klarsichtig
Bewertet mit 5 Sternen
Was für ein Anfang!
„Eine Depression ist ein fucking Event!“ (S.7), lauten die ersten Zeilen und ab da hat es mich gepackt. Ich habe das Buch zügig durchgelesen und brauchte nur ab und zu eine Pause von der depressiven Karo.
„Ich gebe dann jetzt mal auf. (…) Ich bin ein bisschen kaputtgegangen.“. (S. 102). Diese Vergleiche fand ich passend und treffsicher.
Karo ist total kaputt. Karo ist genau wie du und ich, will alles sofort und gleich und denkt, mit ihr stimmt was nicht. Sie scheitert an der Liebe und an sich selbst, trägt ihr Päckchen des Lebens und muss akzeptieren, dass sie krank ist.
Ich war damals dabei, als Sarah Kuttner durch Deutschland reiste, um ihr neues Buch vorzustellen. Die Lesung war klasse und ich habe es mir nicht nehmen lassen, mir ein signiertes Exemplar zu sichern. Der Roman besteht auf fiktivem Stoff, aber auch aus selbst erlebten Erfahrungen der Autorin. Das spürt man einfach an dem Antrieb dieser Geschichte. Wie kann man eigene Erfahrungen besser verpacken, als mit einer netten Geschichte in einen Roman.
Ich habe mich mit einem Mix aus Buch und Hörbuch prächtig unterhalten gefühlt. Da Sarah Kuttner selbst liest, setzt sie es perfekt um, weil sie eben weiß, wie sie es beim Schreiben gemeint hat. Tatsächlich kann man ja nicht alles durch Satzzeichen kennzeichnen.
Klare Worte, herrliche Wortzusammenstellungen und eine ehrlich, erfrischende Klarheit, die ich an ihr schätze.
Depression ist ein Thema, dem man sich entweder mit Erfahrung widmet (man selbst, Familie, Freunde) oder noch mit in Berührung gekommen ist. In beiden Fällen super, da es entweder heißt: „Ach, jetzt versteh ich viel besser, was du durchgemacht hast“, „Es gibt ja noch andere, denen es so scheiße geht, wie mir.“ oder „Schlimmes Ding, hoffentlich bekomme ich das nie.“. In jedem Fall regt es zum nachdenken an und ich finde es überhaupt nicht, dass einen die Geschichte schwermütig macht oder langweilig ist.
Es ist gerade der richtige Humor, um zu zeigen, dass man sich selbst nicht zu ernst nehmen darf. Das trotzdem alles besser wird, aber man noch mit Rückschlägen zu kämpfen hat.
Ich lese in diesem Fall lieber eine ehrliche Geschichte, als einen Groschenroman, mit gezwungenem Dauergrinseende - ala alles wieder gut.
Was ja selbst in diesem Roman so ein bisschen angedeutet wird, dem folgendem Exklusivvertrag im Epilog.
Persönlich finde ich es immer schade, wenn Hörbücher gekürzt wurden, was ich in diesem Fall, bei der Kürze der Buchvorlage, nicht nachvollziehen kann. So kommt der/die Hörer/in nicht in den Genuss des Kapitels mit der CD über Autogenes Training, wo Karo sich abmüht, Entspannung zu finde. Ist nicht wichtig für die Geschichte, aber wenn man den Roman mag, will man auch nichts verpassen, klar.
Mir muss ein Protagonist nicht unbedingt sympathisch sein, um ein Buch zu mögen. Er sollte vielmehr interessant sein, mich mitreißen, und mit neuen Gedanken überraschen, eine Wandlung durchmachen. Ich möchte unterhalten werden und nicht neue Freundschaften schließen. Karo könnte nie meine Freundin sein, aber ich lausche gern ihrer Geschichte, weil ich neugierig und aufgeschlossen bin. Trotzdem fand ich Philipp total doof, aber das hat sie ja zum Glück selbst erkannt.