Rezension

Kindheit im Dritten Reich - Schwächer als "Die Bücherdiebin"

Heute für Geld und morgen umsonst - Peter Steinbach

Heute für Geld und morgen umsonst
von Peter Steinbach

Bewertet mit 3.5 Sternen

Ein Vorort von Leipzig, 1944: Der zehnjährige Osvald darf nicht zur Schule gehen und nicht mit den „Nazikindern“ aus der Siedlung spielen. Er begreift nicht ganz, warum, doch er weiß, sein Vater ist ein wichtiger Forscher für das Regime, darum geschieht ihm und seiner schwangeren Mutter nichts. Er beobachtet die Geschehnisse aus der Ferne, erfährt etwas über die Welt da draußen von einem Freund der Familie, fürchtet die englischen Bomber und sehnt sie gleichzeitig herbei. Als seine Mutter nach der Geburt des Bruders untertaucht und der Vater, vermutlich aufgrund seiner gescheiterten Forschung, ebenfalls, kommt Osvald bei Bäcker Bredno unter und erlebt dort das Kriegsende.
Das Ende des Dritten Reichs aus der Perspektive eines kleinen jüdischen Jungen zu erzählen ist für den Autor eine gute Methode, dem Leser das Grauen mit unschuldigen Augen zu zeigen. Osvald versteht nicht alles, er beobachtet sehr viel. Die Spannungen innerhalb seiner Familie, die verschiedenen politischen Ansichten der Menschen, die ihm begegnen und ihn beschützen. Der demokratische Bäcker, die kommunistische Frau Schlippe, der erzkatholische Rand. Immer wieder vergleicht Osvald Kino und das wahre Leben und muss schließlich zum Schluss kommen, das beide nichts miteinander zu tun haben. Er selbst ist nicht frei geblieben von der Nazi-Indoktrination und von nationalistischem Denken, betet er doch auch für Hitler und beschreibt immer wieder Szenen aus seinem Lieblingsbuch „Das Forschungsschiff“, in dem die „Neger“ Afrikas als minderwertige, tumbe und grausame Menschen beschrieben werden. Doch dass Osvald nur nachplappert und in seinem innersten ein gutes Herz hat, erlebt man dann bei der Szene mit den kriegsgefangenen Russen. Als schließlich die Amerikaner einmarschieren, wollen die überzeugtesten Nazis nichts mehr mit der NS-Zeit zu tun haben und vertuschen ihre Mitgliedschaft. Doch nun wo Frieden ist, sehnt sich der Junge am allermeisten nach seiner Familie zurück.
„Heute für Geld und morgen umsonst“ beschreibt pointiert und gleichzeitig unschuldig das Kriegsende aus der Sicht eines Zehnjährigen, bringt aber im Endeffekt nichts Neues. Alles, was im Buch beschrieben wird, kannte ich schon zu Genüge: Grausamkeit gegenüber Juden und Kriegsgefangenen, Bomben und Fliegeralarm, Zerstörung und kuschende Nazis nach der Einnahme durch die Amerikaner. Leider entwickelte das Buch keinen Sog auf mich. Es fehlt hier das gewisse Etwas, was zum Beispiel bei der „Bücherdiebin“ durch die Erzählperspektive des Todes und den Charakter von Liesel und den Hubermanns mehr Spannung erzeugt. Fazit: Ein weiteres Buch über die NS-Zeit, das einem nichts wirklich Neues erzählt, das aber sprachlich und charakterlich gelungen ist.