Rezension

Kindheitserinnerungen mal anders dokumentiert.

Risse -

Risse
von Angelika Klüssendorf

Bewertet mit 3 Sternen

Das Cover zeigt wohl eines der wenigen Fotos, die es von der Autorin gibt, aufgenommen kurz nach ihrer Ankunft in Usedom bei ihrem Vater und der Stiefmutter, mit einem sanften Lächelns voller sommerlicher Erwartungen. Der sicherlich bewusst gewählte Titel RISSE deutet auf eine alptraumhafte Kindheit in der DDR mit unverantwortlich handelnden Eltern hin, vernachlässigt in ihrer Kindheit durch Alkoholismus, Mangelernährung, Gewalt und Sadismus, Suizid-Versuchen des Vaters, gefolgt durch Diebstahl, Lügerei, Heimaufenthalten, Streunen und Verwahrlosung. In der Ich-Form erzählt die Autorin als misshandeltes Wesen von der üblen Macht der Eltern, der Heimmitarbeiter, der Polizei in einem kargen, emotionslosen Schreibstil, nicht anklagend, eher das soziale, kalte Umfeld schnörkellos beschreibend in 10 Geschichten. Kursiv gesetzte Zwischentexte korrigieren diesen autofiktionalen Text in Richtung Autobiografie oder kommentieren das eben Erzählte. Nur die kindliche Verbundenheit zu ihrer kleinen Schwester und die Liebe zu Büchern scheinen die Risse in ihrem traumatischen jungen Leben zu kitten.

Insgesamt bruchstückhafte, berührende Kindheitserinnerungen in asketisch gewählter Schreibweise dokumentiert.