Rezension

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Klassiker der Weltliteraturgeschichte!

Lolita - Vladimir Nabokov

Lolita
von Vladimir Nabokov

Bewertet mit 5 Sternen

"Lolita,

Licht meines Lebens, Feuer meiner Lenden. 

Meine Sünde, meine Seele.

Lo-li-ta."

Lolita ist ohne Zweifel ein Klassiker der Weltliteraturgeschichte, obwohl es sicherlich so manchen potenziellen Leser durch ein klares Tabuthema abschreckt. 

 

Ein kurzer Klappentext

Der vielumstrittene, längst zu Weltruhm gelantge und zweifach verfilmte Roman einer tragischen Passion: Ein Vierzigjähriger verfällt dem grazilen Zauber einer kindlichen Nymphe und erfährt die Liebe als absolute Macht über Leben und Tod. 

Gleich zu Beginn erfährt der Leser, dass der Ich-Erzähler namens Humbert Humbert (H. H.) im Gefängnis sitzt. Sich in Inhaftierung befindend verfasst er ein Buch über sein Leben bis zu dem Moment seiner Festnahme und überreicht das Manuskript seinem Anwalt, der es veröffentlichen soll. Diese "Art einer Biographie" bekommen man im Anschluss an das Vorwort zu lesen. 

Aber worum geht es denn nun eigentlich?

Das Buch ist in zwei Teile aufgeteilt. 

Teil 1 - Der 1910 in Paris geborene H.H. verbringt im Alter von zwölf Jahren den Sommer mit seiner ersten großen Liebe Annabel Leigh, nichtsahnend, dass er sie nur kurze Zeit später aus heiterem Himmel verlieren wird. Rückblickend vermutet H.H. seine junge Liebe zu Annabel als den Ursprung für seine späteren Neigungen. Denn obwohl er mehr als nur einmal verheiratet ist, kann er keiner seiner Frauen wahre Liebe entgegenbringen. Sein Herz schlägt nämlich in aller Heimlichkeit für die kleinen "Nymphetten" dieser Welt. Als Nymphette bezeichnet er Mädchen im Alter von neun bis vierzehn Jahren, die  sich durch "Koboldgrazie, den angreifbaren, verschmitzten, seelenzerrüttenden, heimischen Zauber [...] von ihren Altersgenossen unterscheide[n], [...] [sich] ihrer mythischen Macht selbst nicht bewusst". Humbert lässt den Leser an seiner Gefühlswelt teilhaben und beschreibt mit außerordentlicher Emotionalität das Ausmaß der Erschütterung, den der erste Anblick der damals zwölfjährigen Dolores, in ihm auslöst. Ab diesem Moment im Jahr 1947 hat er für andere Nymphetten lediglich flüchtige Blicke übrig, denn seine Leidenschaft und spätere Liebe gilt einzig und allein seiner Nymphette, seiner Lolita.

Teil 2 - Im ersten Teil des Buches erhält man den Eindruck, dass H.H. kein besonders sesshafter Mensch zu sein scheint. Diese Annahme wird im zweiten Teil des Buches bestätigt, denn Humbert beschreibt in sehr detaillierter Form die Reise, die er und Lolita zwei Jahre lang quer durch die USA unternehmen. Sie nächtigen in zahlreichen Motels, Hotels und Ferienwohnungen, wobei die Aufenthalte in ihrer Dauer variieren und die zwei sich fortan als Vater und Tochter Haze ausgeben. 

Im Jahr 1949 findet die Reise ein abruptes Ende und H.H. fasst einen folgenschweren Entschluss, der ihn letztendlich hinter Gittern bringen wird.

Wie ist dieses Werk zu bewerten? 

An dieser Stelle scheiden sich die Geister. Ein Blick auf Amazon zeigt, dass Nabokovs Werk die Leserschaft spaltet. Von "ekelhaft" bis "meisterlich" ist die komplette Meinungspalette vertreten.

 

Noch nie war ich von einem Buch derartig angewidert und fasziniert zur selben Zeit. Ein ewiger Zwiespalt, der mich das gesamte Werk über begleitete. Nabokov schafft es, Humberts Einstellungen, Gefühle und Beweggründe so glaubwürdig darzustellen, dass der Leser den Eindruck erhält, eine tatsächlich existierende  Biographie zu lesen. An mancher Stelle fragt man sich, ob der Autor eigene Empfindungen hat einfließen lassen, was er jedoch zu jeder Zeit vehement dementierte. 

Es scheint, als wolle H.H. sich mit seiner Biographie gegenüber den Geschworenen und der Öffentlichkeit für seine Tat(en) rechtfertigen. Es macht den Anschein, als hoffe er auf Verständnis und  Mitgefühl. So fordert er an nicht wenigen Stellen den Leser direkt dazu auf, "sich das vor[zu]stellen" oder "sich einmal in diese Lage [zu] versetzen". Dieser Aufforderung nachzukommen fiel mir allerdings sehr schwer. So gab es zahlreiche Stellen, die mich erschaudern ließen, da Humbert nicht davor zurückschreckte den Leser über das Ausmaß seiner pädophilen Neigung zu informieren. Teilweise bis ins kleinste Detail gehend beschrieb er die Nymphetten und seine unbändige Leidenschaft, die durch diese entfacht wurde.

Trotzdem möchte ich gern von einem Meisterwerk aus Nabokovs Feder sprechen. Obwohl die Thematik nur schwer zu schlucken ist, konnte ich die Geschichte nicht zur Seite legen. Nabokov verleiht Humbert einen einzigartigen Stil mit Worten Bildern zu malen. Er spielt mit ihnen und schafft seine eigene Art der Sprache, unter anderem auch durch wiederholte Verwendung von Neologismen. So schreibt er zum Beispiel: "Psychoanalytiker umwarben mich mit Pseudoliberationen von Pseudolibidiotien."

An H.H.'s Gedankenwelt darf der Leser teilhaben, wohingegen Lolita ausschließlich aus der Sicht Humberts beschrieben wird. So manches Mal fühlte ich mich wie im Regen stehen gelassen, da ihre Handlungen teilweise irrational erschienen. Allerdings darf man nicht vergessen, dass ihr Verhalten der  subjektiven Meinung H.H.'s entspringt. Eine Verzerrung der Tatsachen ist daher nicht auszuschließen und sollte auf jeden Fall berücksichtigt werden.

Das Schicksal Lolitas hat mich erschüttert, wenn ich ihr Leben mit meiner unbeschwerten Kindheit und Jugend vergleiche...

Fazit

Um Lolita durchlesen zu können, braucht man ein relativ dickes Fell. Es ist aufgrund der Thematik kein Buch für jedermann, kann allerdings durch den malerischen Schreibstil Nabokovs überzeugen. 

Würde ich es noch einmal lesen? Auf jeden Fall! Würde ich es weiterempfehlen? Mit Sicherheit!

Ich hoffe, ich konnte den ein oder anderen überzeugen dieses Buch zu lesen oder es zumindest in Erwägung zu ziehen. Für mich ist es eine Bereicherung und ich freue mich, es fortan in meinem Regal stehen zu haben.

Eure Bea :)

 

Noch eine Info am Rande: Einigen mögen die Begriffe "Lolitakomplex" oder "Lolitasyndrom" bekannt vorkommen. Sie wissen meist allerdings nicht, dass diese und andere Begrifflichkeiten ihren Ursprung in Nabokovs Werk haben. ;)