Rezension

„Komm, nimm meine Hand. Ich war so einsam!“

Melmoth - Sarah Perry

Melmoth
von Sarah Perry

Dieses Buch hat mich in jedem Fall überrascht, jedoch auf eine unangenehme Art und Weise. Ich habe zwar ein Schauermärchen erwartet, hätte aber nicht gedacht, dass die Geschichte so grausam sein würde. Die Sagengestalt Melmoth, die ewige Wanderin, ist uralte Zeugin der Verfehlungen der Menschen. Sie ist der schwarze drohende Schatten, der denjenigen im Nacken sitzt, die große Schuld auf sich geladen haben. Und so verfolgt sie die Protagonistin Helen durch das winterliche Prag. Ihre Boten sind die Dohlen, blaue Vögel die ihre anklagenden Rufe durch die Stadt wehen lassen. Auch Helen ist ihrerseits eine Botin, da ihr die Aufzeichnungen eines alten Mannes in die Hände geraten, die verschiedene Zeugenberichte zu Melmoth aus unterschiedlichen Jahrhunderten beinhalten. Diese Berichte sind Versatzteile der Handlung, notwendig, um zu verstehen, was Melmoth ist. Jeder dieser Berichte ist furchtbar, grausam, enthalten sie doch einige der schlimmsten Taten, zu denen Menschen fähig sind. Melmoth sieht sie alle, und erscheint als Allegorie verdrängter Schuld jedem einzelnen Sünder.

 

Da schwingt natürlich einiges an Religiösität mit, dennoch wird hier keine maßgeblich christliche Weltsicht propagiert, sondern Schuld an sich als in jedem Menschen mehr oder weniger angelegtes Gefühl in den Fokus gerückt. Denn niemand kann sich von einer solchen frei machen, jeder einzelne lädt im Laufe seines Lebens einen Teil davon auf sich. Melmoth wird das nicht entgehen. Daher kann sich auch der Leser am Ende nicht verstecken, bekommt ihre Hand gereicht und muss entscheiden, ob er mit ihr gehen wird oder nicht.

 

Fazit: Dieses Buch ist bestens geeignet für regnerische, dunkle Herbsttage. Jedoch ist es weit entfernt von einer leichten Lektüre. Viel mehr muss man sich darauf einstellen, mit furchtbaren Dingen konfrontiert zu werden, um am Ende sich selbst mit „Schuld“ auseinanderzusetzen. 3/5 Sternen, weil das Lektüreerlebnis ein sehr spezielles ist, das viel von seinem Leser einfordert.