Rezension

Lebenslüge

MARTA. Heimat in Polen, Deutschland und in der Schweiz. -

MARTA. Heimat in Polen, Deutschland und in der Schweiz.
von Monika Hürlimann

Bewertet mit 3 Sternen

„Träum‘ schön weiter, aber versäume nicht die Realität.“

„Marta – Heimat in Polen, Deutschland und in der Schweiz“ ist der Debut-Roman von Monika Hürlimann. Er erschien im Oktober 2020 im Anthea Verlag und ist in großen Teilen autobiografisch.

Polen, 1984: Mit 15 muss Marta mit ihrer Mutter und ihrem Zwillingsbruder ihr Heimatland Polen verlassen. Es geht illegal in den Westen - nach Deutschland in die BRD. Dort soll alles besser und bunter sein, doch für Marta beginnt eine schwere Zeit. Sie muss zunächst die fremde Sprache lernen und fragt sich immer wieder, warum ihre Mutter, die das Konzentrationslager in Ausschwitz überlebte, ausgerechnet nach Deutschland flieht. Erst nach dem Tod ihrer Mutter, beginnt Martha langsam die Vergangenheit aufzuarbeiten und entdeckt dabei ein Familiengeheimnis, das sie niemals erwartet hätte…

 

Marta ist ein kluges und sehr selbständiges Kind. Die Beziehung zu ihrer Mutter war schon immer schwierig, auch zu ihrem Bruder konnte sie nie eine wirklich innige Beziehung aufbauen. Früh musste sie lernen selbständig zu sein, sich um Essen für die Familie zu kümmern, Wäsche zu waschen und den Haushalt einigermaßen in Ordnung zu halten. Dabei war ihre Mutter nie faul, aber häufig arbeiten und als Pädagogin stets um andere Kinder bemüht. Ihr gesamtes Leben hat Marta das Gefühl, ihre Mutter sei unnahbar und nie wirklich an ihrer Tochter interessiert, der Bruder oder fremde Kinder stets an erster Stelle. 

Die plötzliche Auswanderung in ein fremdes Land zeigt Marta, dass das Leben einfacher sein kann, als in ihrer Heimat. Keine Lebensmittelrationalisierung, keine angebliche Gleichheit, keine Sorgen mehr darüber, was man sagen darf und was nicht. Aber eben auch keine Freunde, keine Familie und eine fremde Sprache. Dennoch gibt Marta nicht auf und schafft es, an ihrem großen Traum festzuhalten: demMedizinstudium. Letztlich ist sie eine Kämpferin. Sie ist zielstrebig und weiß, was sie kann, zweifelt aber trotzdem immer wieder an sich selbst undmöchte anderen gefallen. 

Zudem fragt sie sich immer wieder, was an der Vergangenheit und dem Verhalten ihrer Mutter so seltsam zu sein scheint. Doch obwohl sie sich dieser Tatsache bewusst ist, ist sie lange Zeit nicht in der Lage die Vergangenheit aufzuarbeiten und zu verstehen. Erst nach dem Tod ihrer Mutter beginnt sie ernsthaft sich mit der Thematik auseinander zu setzen und entdeckt dabei Dinge, die sie niemals geahnt hätte. Doch obwohl sie sich große Mühe gibt und mit ihrer Suche sogar bei einigen in ihrer Familie aneckt, kann sie das Rätsel um ihre Mutter am Ende nicht vollständig lösen und akzeptiert diese schließlich in ihrem Handeln und ihrer Person. Damit bleiben allerdings auch für den Leser Fragen offen, die ich mir als Konfliktlösung schon erhofft hätte.

Der, zumindest teilweise, autobiografische Roman von Monika Hürlimann beschreibt Martas Leben in mehreren Abschnitten, bis die Handlung ein paar Jahre nach dem Tod ihrer Mutter endet. Es werden dabei viele wichtige Themen wie das Leben im Kommunismus, die dortige Lebensmittelrationalisierung sowie der Umgang mit kranken Angehörigen, der Vergangenheitgenerell und das Aufwachsen in schwierigen Verhältnissen angeschnitten und aus der Perspektive einer Betroffenen beschrieben. Jedes der angeschnitten Thema fasziniert auf seine Weise und regt zum Nachdenken an. 

Martas Lebensgeschichte ist ergreifend und im Grunde sehr emotional. Das junge Mädchen und auch später die junge Frau kann einem häufig eigentlich nur leidtun, ihren Mut und ihre Zielstrebigkeit muss man bewundern. Leider konnte ich mich mit Marta selbst nicht wirklich identifizieren und fand auch während des gesamten Romans keinen richtigen Zugang zu ihr. Der Schreibstil ist, passend zu Marta als Figur,sehr sachlich und geradlinig. Dadurch entstand für mich jedoch kein richtiger Lesefluss und immer wieder drängte sich mir das Gefühl auf, keinen Roman, sondern ein Sachbuch oder eben eine Biografie zu lesen. Die Emotionen konnten michdaher ebenfalls kaum erreichen, sie waren mir zu abstrakt und haben es so leider nicht geschafft mich zu berühren. 

Auch die nicht chronologische Reihenfolge der Kapitel und die entsprechenden wechselnden Zeitsprünge lagen mir persönlich nicht. Teilweise waren mir so Zusammenhänge nicht klar, manchmal wurden Dinge vorweggenommen oder doppelt erzählt. Die beschriebenen Lebensabschnitte und Ereignisse aus diesen sowie darauf aufbauende Gedankensprünge waren für mich teilweise nicht nachvollziehbar und irgendwie unlogisch.

Dennoch werden viele historische Begebenheiten authentisch beschrieben und der Leser bekommt einen sehr guten und wichtigen Einblick in entbehrungsreiche Zeiten und das Leben in einem kommunistischen System. Zusätzlich erlangt man einen Einblick in die Wirrungen und komplizierten Verhältnisse im Anschluss an den zweiten Weltkrieg.

Mein Fazit: Grundsätzlich finde ich „Marta - Heimat in Polen, Deutschland und in der Schweiz“durchaus gelungen. Allerdings war es für mich kein unterhaltsamer Roman mit historischem Kontext, sondern eher eine sachliche Erzählung in biografischer Form. Dieser Beschreibung wird der Roman dann deutlich gerechter und meine Erwartungshaltung daran wäre wohl auch eine andere gewesen. So kann ich leider nur 3 von 5 Sternen vergeben, da mich Martas Geschichte leider nicht wirklich erreichen konnte.