Rezension

Leichtmatrosen - Ein Männerroman

Leichtmatrosen - Tom Liehr

Leichtmatrosen
von Tom Liehr

Zum Inhalt: Viel Ouzo war im Spiel, als die Idee, zu viert ein Hausboot zu mieten und zehn Tage lang zwischen Berlin, Ostsee und Elbe gemeinsam auf dem Wasser zu verbringen, geboren wurde. Und keiner der vier unterschiedlichen Männer, die sich einmal pro Woche zum Badminton treffen, die sonst aber nicht viel verbindet, hätte diese Entscheidung wohl in nüchternem Zustand getroffen.

Doch nun ist der Plan gemacht und schon treten Patrick, Mark, Henner und Simon ihre gemeinsame Reise an. Zunächst herrscht eine etwas angespannte und peinliche Atmosphäre an Bord, da jedem der Männer bewusst ist, dass sie sich kaum kennen und an jedem der anderen genug Merkwürdigkeiten ausmachen können, um sich mit ihnen auf so engem Raum beklommen zu fühlen. Doch die gemeinsamen Tage an Bord, die kollektive Anstrengung, den großen und widerspenstigen Kahn zu navigieren, literweise gemeinsam getrunkener Alkohol und ein exzessiver Männerabend, der in etwa die Halbzeit der Reise markiert, tun ihr übriges.

Zwischen den vier lose befreundeten Kumpels entsteht Vertrauen und nach und nach holt jeder sein Säcklein hervor, dass er mit an Bord gebracht hat. Und da findet sich so einiges: Patrick sieht nach einem grundsätzlichen Streit über die weitere Lebensplanung die Beziehung mit seiner langjährigen Freundin vor dem Aus, Henner arbeitet als Pfarrer und merkt, wie ihn der Glaube mehr und mehr verlässt, Simon ist in großen Geldnöten und hat daher ernstzunehmenden Stress mit einer Gruppe von Albanern, denen er eine große Summe schuldig geblieben ist, nur Mark scheint zunächst kein Päckchen zu tragen, was aber vielleicht daran liegt, dass sein Leben nicht nur frei von Sorgen, sondern auch frei von Sinn ist. 

Trotz der großen Unterschiede in ihren Lebensumständenentwickelt sich nach und nach eine solide Männerfreundschaft und die vier beginnen, ihre gemeinsame Zeit an Bord zu genießen.

 

Eigene Meinung: Das Positive zuerst: Der Roman Leichtmatrosen ist definitiv ein Sommerbuch – und zwar, weil es einerseits so locker und leicht geschrieben ist, dass man es gut auch bei 30 Grad im Schatten lesen kann, und weil es einem andererseits die Reize einer Bootstour in der wunderschönen Landschaft zwischen Havel und Müritz so schmackhaft macht, dass man am liebsten sofort seine Tasche packen und es den vier Hauptpersonen des Buches nachtun möchte. Tom Liehr kann nicht verbergen, dass er die beschriebene Landschaft gut kennt und sie ihm sehr am Herzen liegt und die liebevoll gestaltete Karte am Anfang des Buches lässt den Leser die Reise der vier Männer auf ihrem Boot anschaulich nachvollziehen. Gut getroffen ist auch das besondere Völkchen, dass sich typischerweise im Sommer bootsfahrenderweise auf der deutschen Flüsse- und Seenlandschaft herumtreibt: Familien mit variierenden Zahlen an Kindern, Kanutengrüppchen, alternde Freundinnen, die einen besonderen Urlaub miteinander verbringen wollen, dabei aber die Angst vor der Bootsnavigation nicht überwinden können, ältere seegel-erfahrene Männer auf schicken Yachten, Unikate, die an den Marinas und Anlegeplätzen arbeiten und zu Hause sind.

Während die vier Männer anfangs viele Berührungsängste haben und sich hin und wieder eher unsympathisch sind, wachsen sie während der Bootsfahrt zusammen, die Gespräche werden persönlicher und sie erzählen sich zentrale Dinge aus ihrem Leben. Gut gefallen hat mir, wie in Rückblenden jeder der vier Charaktere näher beleuchtet wird: wir erfahren zentrale Dinge aus dem Leben der vier Männer, welche die Erklärung für ihre aktuelle Gemütslage an Bord sind: die Unstimmigkeiten zwischen Patrick und seiner Freundin Cora, die schwierige Kindheit und Jugend Henners unter dem Regiment eines fanatisch-religiösen Vaters und der Verlust seines eigenen Glaubens, die bisher ziellose Suche nach dem Sinn des Lebens, auf der Mark sich befindet und die Hintergründe für Simons scheinbare  fehlende Disziplin und Ehrgeiz im Job, die ihn finanziell immer weiter in die Klemme bringen.

Tom Liehr gelingt es, die Entschleunigung, die die vier Männer auf dem Boot erfahren, auch dem Leser zu vermitteln – Dinge, die zwei Tage zuvor passiert sind, fühlen sich plötzlich schon sehr weit weg an, obwohl dazwischen faktisch nicht viel passiert ist, die Zeit dabei aber angefüllt mit soviel andersartigen und neuen Eindrücken ist, dass sie auf besondere Art und Weise angefüllt erscheint.

Während die zweite Hälfte des Buches mich ganz gut unterhalten hat, und die vier Charaktere sich um zentrale Entscheidungen ihres Lebens drehen, die jeder von Ihnen schon lange vor sich her schiebt, hat mir im ersten Teil allerdings einiges an Tiefgang gefehlt. Zu klischeehaft war mir das Gehabe der vier Hauptcharaktere nach dem Motto „Männer allein unter Männern“ dargestellt, ein Riesen-Repertoire flacher Sprüche wurden nur selten von mit Inhalten gefüllten Abschnitten abgelöst. Furchtbar klischeehaft stellenweise auch die Beschreibung der weiblichen Wesen, die die vier Männer an den unterschiedlichen Stationen ihrer Reise treffen und kennenlernen. Die seitenweisen Beschreibungen von (oftmals)  chaotischen Schleusungen, Navigations- und Anlegemanövern dokumentieren die Fortschritte, welche die Männergruppe hinsichtlich ihrer nautischen Fähigkeiten macht, zwar gut,  haben mich in ihrer epischen Breite aber leider nicht selten auch gelangweilt. Auch für Liebhaber „schöner“ Literaturstellen und Sätze, die man gern auch ein zweites und drittes Mal liest, ist der Roman nichts – die einfache und oft plumpe Sprache  an Stellen wie diesen hier: „..., so dass es kaum Diskussionen gab, als ich vorschlug, im benachbarten Biergarten ein paar Pilsetten einzuatmen, vielleicht ein verbranntes Nackensteak zu schlucken und erst anschließend den Ankerplatz aufzusuchen“ oder auch solche: „Wenn sich eine reizvolle Stöpselvorlage ergibt, stöpseln wir auch“ war wohl das Element, was mich beim Lesen am meisten gestört hat.

Der zweite Teil hat mir, wie gesagt, besser gefallen, kann das Buch für mich aber insgesamt nicht über die Zwei-Sterne-Grenze retten.

Kommentare

florinda kommentierte am 20. Mai 2017 um 20:40

Die Geschichte wurde - leicht gekürzt - unterhaltsam verfilmt und lief neulich im Hauptabendprogramm der ARD, wo sie noch einige Zeit in der Mediathek verbleibt. Es lohnt sich!:-)