Rezension

Leider zu wenig Jack

Der Ripper - Richard Laymon

Der Ripper
von Richard Laymon

Bewertet mit 2 Sternen

»Ich war fünfzehn Jahre alt, bis auf die Haut durchnäßt, mir war kalt und ich hatte Angst, und als ich Jack the Ripper durch die dunklen Morgenstunden folgte, war ich fest davon überzeugt, daß ich das erste Licht des neuen Tages nicht mehr erleben würde. Aber ich verfolgte ihn trotzdem.«

Whitechapel, November 1888. Äußerst unfreiwillig wird der fünfzehnjährige Trevor Bentley Zeuge, wie Mary Kelly bestialisch ermordet wird. Trevor ist natürlich traumatisiert, aber auch zutiefst überzeugt, dass er mithelfen muss, dieses Monster zur Strecke zu bringen. Er heftet er sich an seine Fersen, doch der Ripper hat ein neues Jagdrevier angepeilt: Den Wilden Westen von Amerika…

 

Dieses Buch war eine interessante Erfahrung. Im Klappentext wird es unter anderem mit den Worten »Tom Sawyers Abenteuer als Horrorroman« beschrieben, das trifft es schon fast.

Der junge Trevor steht ganz klar im Mittelpunkt der Handlung, seine Geschichte nimmt auch den überwiegenden Teil des Buchs ein. Der Ripper ist im Grunde nur eine Nebenfigur, die am Anfang und am Ende auftaucht und dazwischen von mir sehr vermisst wurde. Sicher habe nicht nur ich das Buch mit der Erwartung aufgeschlagen, erheblich mehr über einen der berühmtesten Serienmörder der Geschichte zu lesen!

 

Stattdessen geht es um Trevor, von vorne bis hinten. Trevors Probleme mit einem Freund seiner Mutter, Trevors erste Erfahrungen mit der Sexualität (sehr harmlos), Trevors erste Liebe, Trevors Pflichtgefühl, Trevors Erlebnisse im Wilden Westen, Trevors nächste Liebe, Trevors Mut, Trevors Talent, Trevors Schuldgefühle usw. usw.

Das alles ist passabel geschrieben und wenn ich einen Abenteuerroman rund um einen Heranwachsenden erwartet hätte, wäre sicher ein Stern mehr drin gewesen. Ich hatte aber einen Horrorroman rund um Jack the Ripper erwartet, in dem auch ein Jugendlicher mitspielt. Das ist ein Unterschied.

 

Die Szenen, in denen der Ripper auftaucht, sind meist gut gelungen und blutig. Nur – leider – gibt es davon nur wenige, der Horror wird zur Randerscheinung.

Außerdem, ich sagte oben: „Das trifft es schon fast.“ Zutreffend ist, dass wie bei Tom Sawyer ein Junge im Zentrum steht und der Leser ihn begleitet. Aber ansonsten finde ich den Vergleich mit Mark Twain nicht angebracht. Der Stil war der eines simpel gestrickten Westerns, streckenweise etwas langatmig. Und was mir nach einiger Zeit auf die Nerven ging, war diese übertriebene Darstellung der vielfältigen Begabungen und des enormen Mutes des Protagonisten. Es ist ein bekanntes Phänomen in der Jugendliteratur, dass der junge Mensch den Erwachsenen überlegen ist. Aber erstens kann man auch alles übertreiben und zweitens ist dies hier kein Jugendbuch, dafür sind die Randszenen definitiv nicht geeignet.

 

Fazit: Schade, dass nur so wenig Ripper im Buch war. Stil-Mix kann was sehr Schönes sein, hier ist er aber nicht gelungen.