Rezension

Licht und Dunkel des Lebensfunken

Der Funke des Lebens - Jodi Picoult

Der Funke des Lebens
von Jodi Picoult

Bewertet mit 5 Sternen

Jackson in Mississippi gerät an einem heißen Herbsttag in den Fokus der Polizei, als sich ein Abtreibungsgegner Zutritt zu einer Abtreibungsklinik verschafft, dort um sich schießt, einige Menschen tötet und den Rest als Geiseln nimmt. Als erfahrener alter Hase ist es die Aufgabe von Polizeiunterhändler Hugh McElroy, mit dem Amokschützen zu verhandeln, um einen größeren Schaden zu verhindern und die Gefangenen zu befreien. Doch dann erfährt er, dass seine eigene 15-jährige Tochter Wren sowie seine ältere Schwester Bex zu den Geiseln in der Klinik gehören. Normalerweise müsste er sofort wegen Befangenheit von dem Fall zurücktreten, doch will er unbedingt das Leben seiner Lieben retten. Ob Hugh Erfolg haben wird?

Jodi Picoult hat mit „Der Funke des Lebens“ einen sehr unterhaltsamen, gefühlvollen und spannenden Roman vorgelegt, der wieder einmal mit einem aktuellen Thema und kontroverser Sichtweise zu fesseln weiß. Der flüssige und bildhafte Erzählstil schlägt den Leser sofort in den Bann und lässt ihn das Buch kaum noch aus der Hand legen. Von jetzt auf gleich findet der Leser sich mal innerhalb der Klinik mit dem Amokläufer und den Geiseln wieder, mal schaut er Hugh McElroy über die Schulter, erlebt seine Gewissenskonflikte mit, während er versucht, die Situation für alle Beteiligten zu entschärfen und dabei die Nerven zu bewahren. Stilistisch außergewöhnlich wählt die Autorin für den Beginn ihrer Geschichte den Jetztzeitpunkt, um dann Schritt für Schritt die Stunden zurückzugehen, wobei sie Einzelschicksale hervorhebt und auch die Gründe des Täters offenlegt. Picoult schafft es einmal mehr, mit ihrer ausgezeichnet recherchierten Geschichte den Finger auf die Wunde zu legen und allen den Spiegel vorzuhalten. Sie hat sich für ihr Handlungssetting den Süden der USA ausgesucht, der für seine extremen Abtreibungsgegner berühmt und berüchtigt ist, wo man sich als Frau am besten nur mitten in der Nacht in die Klinik begibt, um nicht gebrandmarkt und bespuckt zu werden. Picoult schlägt sich mit ihrem Roman auf niemandes Seite, sondern legt mit viel Empathie einfach nur die jeweiligen Situationen dar und lässt dabei dem Leser genügend Freiraum, sich seine eigenen Gedanken zu den einzelnen dargestellten Positionen zu machen.

Die Charaktere sind sehr detailliert und lebendig in Szene gesetzt, jeder einzelne besticht durch individuelle Eigenschaften, wirkt glaubwürdig und authentisch. Der Leser kann seine Sympathien gleichmäßig verteilen, ebenso auch die verschiedenen Gedankengänge und Gefühle gut nachvollziehen, die sich ihm im Handlungsverlauf darbieten. Hugh ist ein erfahrener Polizist, den normalerweise nichts aus der Ruhe bringen kann, doch diesmal ist er persönlich betroffen, was es ihm nicht leicht macht, eine objektive Sichtweise der Lage einzunehmen und alles andere auszublenden. Aber gerade jetzt ist ein kühler Kopf gefragt und keine adrenalingeschwängerte Gefühlsreaktion. George projiziert seine ganze Wut auf die Klinik, deren Ärzte, Besucher, Schwestern und Patienten. Er will Rache nehmen für die Tat seiner Tochter, doch statt diese selbst zu bestrafen, gilt seine Vergeltung anderen. Auch die Sichtweise von Ärzten, Aktivisten und weiteren Betroffenen sowie Hughs Tochter Wren werden hier offenbart und geben dem Leser genügend Material, das Gedankenkarussell kreisen zu lassen.

Mit „Der Funke des Lebens“ hat Picoult wieder einmal ein aktuelles Thema auf wunderbare und äußerst spannende Weise aufbereitet, ohne selbst Position zu beziehen. Die Autorin zeichnet sich immer wieder dadurch aus, dass sie dem Leser Gedankenanstöße zu den verschiedensten Thematiken bietet, die sie mit ihren Geschichten wunderbar präsentiert. Auch dieser Roman trifft wieder einmal den Nerv der Zeit, ist fesselnd und gleichzeitig sehr berührend. Absolut verdiente Leseempfehlung!