Rezension

Liebesbriefe an einen Engel

Die Liebesbriefe von Montmartre - Nicolas Barreau

Die Liebesbriefe von Montmartre
von Nicolas Barreau

Bewertet mit 5 Sternen

5 Jahre ist die schicksalhafte erste Begegnung zwischen Hélène und dem Schriftsteller Julien Azouley her, als sie im Mai auf dem Pariser Cimetière de Montmatre an Heinrich Heines Grab aufeinandertreffen und von da an gemeinsam durchs Leben gehen. Doch nun ist Hélène gestorben und hinterlässt nicht nur einen gebrochenen Julien und den vierjährigen Arthur, sondern auch den Wunsch, von Julien für jedes ihrer Lebensjahre einen Brief von ihm zu bekommen, 33 an der Zahl. Julien ist seit Hélènes Tod nicht mehr in der Lage, auch nur irgendeine Zeile aufs Papier zu bekommen, mit seinem Manuskript ist er schon im Verzug, wie soll er da einen Brief zustande kriegen? Doch als ihm seine Freunde und auch sein Verleger deutlich den Kopf waschen, fließen die Gedanken nur so aufs Papier, und Julien teilt seinen Alltag mit seiner toten Ehefrau, die er dann in einem Geheimfach am Grab versteckt. Als er wieder einmal einen dort ablegen möchte, sind seine Briefe verschwunden, dafür erwartet ihn selbst eine Nachricht…

Nicolas Barreau hat mit „Die Liebesbriefe von Montmatre“ wieder einmal unter Beweis gestellt, welch ein herausragender Geschichtenerzähler er ist. Mit einfühlsamen Worten und einem flüssigen, bildhaften Schreibstil nimmt er den Leser mit den ersten Sätzen gefangen und führt ihn sanft und behutsam durch die Handlung, wobei er dem Leser die gesamte Klaviatur des Gefühlsbarometers abringt. Jeder, der schon einmal den Verlust eines geliebten Menschen zu betrauern hatte, wird sich sofort mit Julien identifizieren können. Die herzergreifende Trauer, die Sorge um den kleinen Sohn, die ständige Hoffnungslosigkeit sind so gut beschrieben, dass nicht nur Julien wie ein Hund leidet, sondern auch der Leser. Erst nach und nach lässt Barreau meisterlich kleine Lichtblicke in das Leben seines Protagonisten dringen, die ganz langsam das Leben von Julien und Arthur verändern, die Schmerzen der Trauer lindern und wieder Hoffnung in deren Herzen bringt. Bittersüß lässt er Vater und Sohn durch die Stadt der Liebe wandeln, an deren Fersen sich der Leser heftet, um das französische Laissez-faire mitzuerleben und in sich aufzusaugen. Die Friedhofsbesuche sowie die Zitate aus Heines Werken lassen die Lektüre sowohl romantisch wie traurig wirken und rühren am Leserherz wie die an Hélène gerichteten Briefe. Barreau vermittelt mit seinen Geschichten auch immer eine Botschaft, diesmal geht es ihm um Hoffnung und den Blick nach vorn.

Die Charaktere sind wunderbar mit Leben gefüllt, sie wirken der Realität regelrecht entsprungen. Julien ist ein umsichtiger und fürsorglicher Ehemann und Vater. Sein Verlust nimmt ihm jede Lebensfreude, doch er bemüht sich, für seinen Sohn stark zu sein. Arthur ist zwar erst 4 Jahre alt, aber er ist nicht nur der Klebstoff zwischen Julien und dem Leben, sondern auch ein Kind, dass Geborgenheit und vor allem Sicherheit braucht. Aber er ist auch weise, denn er wünscht sich Glück für seinen Vater, damit dieser wieder lacht. Alexandre ist Juliens bester Freund, der kein Blatt vor den Mund nimmt und seinem Kumpel auch mal die Meinung geigt. Hélènes Freundin Catherine ist gleichzeitig auch die Nachbarin, die ebenso unter dem Verlust leidet und Julien oftmals mit Arthur unter die Arme greift. Aber auch Juliens Mutter, sein Verleger oder der demente Onkel Paul tragen ihren Teil dazu bei, dass die Geschichte rundum gelungen ist.

Niemand kann auch nur annähernd eine Liebesgeschichte gleichzeitig so traurig und mit so viel Romantik erzählen wie Barreau. Er ist ein Wortspieler ohnegleichen, der immer wieder verzaubert und das Gefühl von Liebe in die Herzen der Leser pflanzt. „Die Liebesbriefe von Montmatre“ ist einfach unglaublich – Chapeau!