Rezension

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Lina im Wunderland

Geister gibt es nicht oder Meine total verrückte Reise mit Sir Parzival von Schreckenfels -

Geister gibt es nicht oder Meine total verrückte Reise mit Sir Parzival von Schreckenfels
von Andrea Schomburg

Bewertet mit 4.5 Sternen

Eben noch stand Lina in der Turnhalle. Reimte lustig vor sich hin, während sie den seltsamen Stein in den Fingern hielt. Den Stein, den sie beim Ausflug zur Burgruine fand. Und plötzlich steckt sie im wildesten Abenteuer-Chaos mit Sir Parzival von Schreckenfels. Einem Geist. Dabei glaubt Lina überhaupt nicht an Geister. Auch Chaos mag sie nicht.

Die Zehnjährige mag Ordnung – Kontrolle und Struktur. Damit ihre Mama und ihre kleine Schwester Hedi nicht von grässlichen Krankheiten dahingerafft werden, wäscht sie sich immer gründlich die Hände. Genau 13 Mal. Auch tritt sie nie auf die Zwischenräume der Gehwegplatten. Mit diesen Maßnahmen „kann man das Schlimmste verhindern. Meistens.“

Papa ist trotzdem weg und Hedi trotzdem krank. Welch wundersame Fügung, dass Sir Parzival sie zu einer Reise nach Anderweit verpflichtet. Um den Berggeist zu befrieden, der den dichtenden Adeligen vor vielen Jahrhunderten verfluchte. Denn in Anderweit wartet das Wasser der Gesundheit. Genau das, was Lina für ihre Schwester braucht.

Wunderbar verrücktes Märchen

Also bricht sie auf, ins Wunderland von Anderweit. Fällt zwar nicht durch einen Kaninchenbau, reist jedoch durch einen Spiegel. Was nicht die einzige Parallele zur Geschichte der wohl bekanntesten Weltenreisenden ist. Wie Alice begegnet auch Lina vielen verrückten, magischen Wesen. Rat gebenden, Rätsel sprechenden, wundersamen, chaotischen Gestalten. Die in ihrem Charakter Menschen aus Linas Realität ähneln. Herausforderungen verkörpern, die sie in ihrem Alltag stemmen muss.

Auf ihrer Reise mit dem reumütig reimenden Aristokraten, wächst das Mädchen über sich hinaus. Besiegt Zwangshandlungen, schließt Freundschaften, rettet die Anderweitwelt. Und damit auch die ihre.

„Geister gibt es nicht oder Meine total verrückte Reise mit Sir Parzival von Schreckenfels“ ist ein wunderbar verrücktes, Metaphern reiches Märchen für Menschen ab acht Jahren. Als Vorlesegeschichte klappt das Bilder und Gedicht reiche Buch aber auch für Jüngere. Dabei versteht jeder das, was er alters- und erfahrungsgemäß verstehen kann und will. Wir großen Vorleser interpretierten weit mehr ins Geschehen, als die Kinder. Doch jeder von uns genoss die fantasievolle, von Lina in authentischer Sprache einer Zehnjährigen erzählte Geschichte.

Mama meckert

So schön ich Stil und Story; Anlehnungen, Illustrationen und Gedichte fand – ein wenig auszusetzen hab ich doch. Denn für Linas Gegenspieler Delft Ziegelstein hätte ich mir eine positivere Entwicklung gewünscht. Etwas mehr nachhallende Tiefe mit Lerneffekt. Mit ganz viel gutem Willen, gelingt mir eine wohlwollende Interpretation. Dem Mann gelang das nicht. Er war nachhaltig enttäuscht.

(Achtung: Spoiler)

Was uns beide enttäuschte, war das Ende. Denn Lina gelingt es nicht nur, Sir Parzival und Anderweit zu retten, ihre Schwester zu heilen und die Vergangenheit zu kitten. Auch ihr Papa ist plötzlich wieder da. Die Familie heil und sorglos. Das war uns Großen ein wenig zu viel heile Welt. Besonders da wir den Papa-ist-weg-Strang eh unnötig fanden.

Jedoch: Den Kids stieß rein gar nichts negativ auf. Sowohl Chef (10) als auch Vizechef (7) fanden Linas Abenteuer ganz, ganz großartig. Das Ende perfekt. Also – ignoriert mein Gemecker und genießt Eure Reise in ein aufregend-fantastisches Wunderland.