Rezension

Linden Hills, der Vorhof zur Hölle?

Linden Hills -

Linden Hills
von Gloria Naylor

Bewertet mit 5 Sternen

Als der erste Luther Nedeed das Land am Nordhang der Linden Hills kauft, lässt ihn die Gemeinde Wayne County gewähren. Es sind die Anfangsjahre des 19. Jahrhunderts und die Diskriminierung von Schwarzen gang und gäbe. Aber Luther hat sich ein unfruchtbares Stück Land erkoren und errichtet seine Hütte ausgerechnet am unteren Ende des Hügels, gleich neben dem städtischen Friedhof.

Passenderweise gründet Luther ein Bestattungsunternehmen, gestorben wird ja immer, baut aber gleichzeitig Hütten auf seinem Areal und lässt dort seine schwarzen Mitbürger einziehen. Unter genauesten Regeln verpachtet er ihnen Land für 1001 Jahre und diese günstigen Bedingungen lassen Linden Hills über die Jahre prosperieren.

Auffälig ist nicht nur, dass dem Gründer Luther Nedeed 4 Generationen Luther Nedeeds folgen, sondern auch die Umkehrung der lokalen Verhältnisse. Je weiter die Häuser den Hügel hinunter und in Richtung Luthers abgeschottetem Grundstück kommen, umso größer scheint der Luxus und der Wohlstand seiner Bewohner zu sein. Die Nähe zu Luther Nedeed wird zum Synonym eines erfolgreichen Lebensstils.

Durch diese Vorgeschichte und dem Hinweis, dass nach 150 Jahren beim letzten Luther Nedeed und seiner Frau etwas furchtbar schief gelaufen ist, steigt das Buch nach wenigen Seiten an einem 19. Dezember der 1980er ein und lässt den Leser die 6 Tage vor Weihnachten mit den zwei Jugendlichen Willie und Lester den Hügel hinab, auf der Suche nach Gelegenheitsjobs, tief in die Abgründe einer Gesellschaft blicken, die dem Vorhof zur Hölle zur Ehre gereichen würden.

Da, wo ein unbedarfter Leser vielleicht nur Rassismus und Frauenhass sieht, versteht es Gloria Naylor tief zu graben und den Blick hinter eine atemberaubende, skurrile Kulisse zu werfen. Sie kehrt das Unterste nach oben, sie lässt eskalieren und mit Pastor Hollis, die letzte Barriere gegen das Böse, um die Seelen der Verstorbenen kämpfen. Willie und Lester werden mitten hinein gezogen in diesen Sumpf aus Zahlensymbolik und Namensassioziationen. Am 24. Dezember schließt sich der Höllenkreis.

Das faszinierende an dieser Lektüre sind das gänzliche Fehlen von Unwahrscheinlichkeiten, oder Magie. Mit feinstem Gespür für Spannung und Andeutungen entfaltet Gloria Naylor ein Triptichon von Schwarz gegen Weiß, Arm gegen Reich, Frau gegen Mann, oder Kunst gegen Kommerz, Freiheit gegen Vertrag, Verstand gegen Lifestyle. Es ist egal, denn jeder Leser darf sich selbst entscheiden, ob er zuschaut, oder sich ein Haus auf Linden Hills erbaut.

Aufbau und Sprache haben mich überzeugt und die Faszination Gloria Naylor hält vor! Von mir gibts eine unbedingte Leseempfehlung.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 01. Oktober 2022 um 17:38

jede Menge Gespenster, Ems. Zählst du sie nicht zur magischen Welt?
Mir gefällt deine Interpretation trotzdem wieder einmal sehr gut!
 

Emswashed kommentierte am 01. Oktober 2022 um 18:27

Nee, Gespenster sind real und wenn man sie einmal ruft, wird man sie nicht wieder los. ;-)

Danke, für das Kompliment!