Rezension

Literarisch verpackter Thriller

Glasflügel - Katrine Engberg

Glasflügel
von Katrine Engberg

Bewertet mit 4.5 Sternen

Mit dem „Glasflügel“ habe ich nunmehr den dritten Fall von unserem Underdock-Ermittler Jeppe Kørner verfolgt. Da sich seine Kollegin Anette Werner ihrem Baby widmen muss, ermittelt Kørner jetzt mit Falck, der eine ganz anderen Schlag Mensch verkörpert. Dementsprechend holprig beginnen die Ermittlungen. 

Spektakulär sind wie schon in den ersten beiden Teilen die Morde sowie der mutmaßliche Tathergang. Kurz nacheinander werden mehrere Leichen mit identischen tödlichen Verletzungen in städtischen Springbrunnen gefunden. Die Kreativität der Autorin bei der Inszenierung der Todesumstände finde ich faszinierend. Das Mord-Szenario bildet jeweils einen engem Zusammenhang mit dem übergreifenden gesellschaftlichen Setting. Der aktuelle Fall setzt sich mit dem kostenoptimierten Gesundheitssystem und falsch verstandener Fürsorge auseinander.

Falck und Kørner kommen hier bis zum Showdown nicht so gut weg. Kørner wirkt wie im ersten Teil der Serie überfordert vom Leben, drückt sich im Privaten vor der Auseinandersetzung mit seinen Lieben, lässt unangenehme Zustände quälend vor sich hin schwelen. Dementsprechend schlecht konzentriert ist er bei den Ermittlungen. Die ein oder andere Spitze von Anette hätte ihm bestimmt gut getan. Über Falck erfährt der Leser nicht wirklich viel. Er ist behäbig und langsam. 

Als Gegenpol lernt der Leser Anette in ihrer noch zu findenden Rolle als Mutter kennen. Die taffe Polizistin liebt ihren Job, vielleicht sogar die darin wohnende Gefahr. Jetzt hat sie fast rund um die Uhr in der Nähe des Babys zu bleiben. Die Akzeptanz dessen stellt sich nur mühsam ein. Die innere Zerrissenheit einer gewordenen Mutter, die auch ihre Arbeit liebt, wurde sehr gut transportiert.

Ihrem beschreibenden Stil bleibt Katrine Engberg treu. Ich hatte jederzeit eine gute optische Vorstellung von den Orten und dem Habitus der Charaktere. Ebenfalls beibehalten wurden die vielen Handlungsstränge, die mit diversen Personen besetzt sind, später im Verlauf logisch ineinandergreifen. Diese Vorgehensweise gefällt mir grundsätzlich richtig gut, für meinen Geschmack waren hier ein zwei Personen aus dem Pflegeheim-/Krankenhausumfeld zu viel beteiligt. So musste ich, obwohl ich die wiederkehrenden Charaktere schon kannte, mehr Aufmerksamkeit walten lassen, um den Gesamtüberblick, wer in welche Zeit und an welchen Ort gehört, nicht zu verlieren.

Mein Lesevergnügen musste ich mir so mit etwas mehr Anstrengung verdienen. Dennoch oder gerade deswegen werde ich der Serie treu bleiben. Am besten gefällt mir die geschickte Verknüpfung einer Thrillerhandlung mit kluger Gesellschaftskritik, ergänzt um einen historischen Ausflug. Zudem konnte mich wieder einmal die Herleitung des Titels begeistern.