Rezension

MAIsterwerk

I Do It Mai Way -

I Do It Mai Way
von Vanessa Mai

Bewertet mit 5 Sternen

Was für ein MAIsterwerk!

Ihr kennt mich ja mittlerweile schon ein bisschen und wisst, dass mir selten die Worte fehlen. Wenn ich ein Buch liebe, schwärme ich euch lang und breit davon vor, kein Ding. Wenn mir ein Buch nicht gefällt, finde ich ebenfalls klare Worte (weil Ehrlichkeit usw.) … und nun hat Vanessa Mai tatsächlich etwas geschafft, wofür mein Mann ihr am liebsten einen Orden verleihen würde: Sie bzw. ihre gemeinsam mit einer Ghostwriterin verfasste Autobiografie hat mich kurzzeitig absolut sprachlos gemacht. Zur Erklärung, warum ich meinen Mann erwähne: Als ich das Buch ausgelesen hatte (bzw. durchgesuchtet, inhaliert - nennt es wie ihr wollt), hab ich ihn nur völlig überfordert angeschaut à la "Ich weiß nicht, wie ich die Rezi dazu schreiben soll." - Es. Ist. So. Gut.

So unfassbar gut.

Jetzt denkt ihr vielleicht: 'Okay, wir haben’s kapiert - du magst das Buch.' Okay, ja.

ABER … Ihr ahnt ja nicht, WIE GUT es wirklich ist!

(Eine letzte Erklärung vorab, nur damit diejenigen von euch, mit denen ich über Bookstagram hinaus regelmäßig in Kontakt bin, eine ungefähre Vorstellung vom Level meiner Begeisterung haben: Bisher habe ich auf die Standardfrage 'Welche drei Bücher nimmst du mit auf eine einsame Insel?' immer geantwortet: 'Mir reicht eins, gebt mir "Stolz und Vorurteil" and I'm good.' Ab sofort nehme ich ZWEI Bücher mit, wenn ihr versteht.)

Mag sein, dass ich etwas übereuphorisch klinge, aber meine Gedanken dazu sind einfach all over the place. … weil ich absolut nicht damit gerechnet hatte, dass es mich so catchen würde.

Dazu muss ich euch zunächst ein etwas peinliches Geständnis machen: Bis zu diesem Buch kannte ich lediglich den Namen von Vanessa, hatte aber noch keinen einzigen ihrer Songs gehört. Nicht, weil ich was gegen Schlager hätte, im Gegenteil, sondern weil es sich schlichtweg nie ergeben hatte. (Die Tatsache, dass ihr Name mir trotzdem ein Begriff war, ist ja schon mal ein Indiz dafür, wie medienpräsent sie ist.) Ja, ich hatte am Rande mitbekommen, dass sie mal Jurorin bei DSDS gewesen war (ebenfalls ein Ritterschlag, wer kann das schon von sich behaupten) und normalerweise guckte ich mir die Sendung auch jedes Jahr an. DSDS war Pflicht, immer. … mit Ausnahme von zwei, drei Jahren zwischendurch, in denen ich aus irgendwelchen Gründen nicht dazu gekommen war. Ihr ahnt es: Ausgerechnet 'IHRE' Staffel hatte ich verpasst. (Ebenso die mit den Kaulitz-Zwillingen und die mit Kay One - muss ich alles irgendwann mal nachholen.) Warum wollte ich dieses Buch also unbedingt lesen? Ganz ehrlich? Wenn ich euch jetzt sage, dass ich es einfach im Gefühl hatte, lacht ihr mich bestimmt aus. Aber genau so war es.

Diese Autobiografie ist anders. Klar, es gibt den obligatorischen Bildteil in der Mitte (wobei ich selten Biografien erlebt habe, deren Bildauswahl so perfekt gepasst hat wie hier - loved it!) sowie den chronologischen Aufbau. Und alle Fans von Vanessa werden sich natürlich freuen, mehr über ihr Idol zu erfahren. Doch das Werk richtet sich nicht ausschließlich an sie bzw. in meinen Augen spricht es ganz klar auch andere Zielgruppen an. Ich bin überzeugt davon, dass gerade die (Noch-)Nicht-Fans der Sängerin von "I DO IT MAI WAY" absolut geflasht und einfach mega positiv überrascht sein werden.

Hier werden nämlich NICHT lediglich Fakten zu Vanessas wichtigsten Lebensstationen heruntergerattert (wie es in vielen Biografien anderer Celebrities der Fall ist - womöglich noch in unerträglich langweilig-laaaaangatmigem Schreibstil und voller beschönigender, selbstbeweihräuchernder Phrasen, bei denen man sich im Nachhinein fragt, wie viel vom Gelesenen überhaupt der Wahrheit entspricht). Stattdessen hatte ich beim Lesen das Gefühl, ich säße mit einer guten Freundin zusammen und wir würden entspannt darüber plaudern, was bei ihr in den letzten Jahren so los gewesen ist.

Kennt ihr das, wenn ihr instinktiv wisst, dass ihr mit jemandem viben würdet, falls ihr euch je begegnen solltet? Von den Gedankengängen bis hin zum exakten Wortlaut der Formulierungen habe ich mich komplett in ihren Zeilen wiedergefunden. Immer wieder dachte ich nur 'sehe ich ganz genauso' oder 'könnt ich nicht besser ausdrücken'. Richtig heftig war es, als mir bei einem Absatz spontan ein passender Song (von einer anderen Sängerin) in den Kopf kam und ich umblätterte - und Vanessa auf der nächsten Seite die Lyrics von exakt DIESEM Lied zitierte! (Nach dem Motto: 'Nee, oder?! Wie krass ist das denn? Das gibt’s jetzt echt nicht!')

Wo wir schon beim Thema 'Lieder' sind: Während der Lektüre hab ich mir direkt all die Songs notiert, die eine besondere Bedeutung für Vanessa haben, auch weil ich mittlerweile total neugierig auf ihren Musikstil geworden war (der übrigens alles andere als das traditionelle Ufftata ist, mit dem der Begriff Schlager gerne und fälschlicherweise verallgemeinernd assoziiert wird). Speziell "Mitternacht" ist mir im Gedächtnis geblieben bzw. die dazugehörige Szene mit der nächtlichen Autofahrt … Ich hab's so gefühlt. Ich kann euch gar nicht sagen, wie sehr ich mich für sie gefreut habe. Jeder, der schon mal dieses unverwechselbare, berauschende Glücksgefühl erlebt hat, wird es nachvollziehen können - diesen besonderen Augenblick, in dem dir klar wird: 'Endlich fügen sich all die Dinge zusammen, die zusammengehören, endlich passt alles, endlich wird alles gut. Du bist zur richtigen Zeit mit den richtigen Menschen am richtigen Ort und alles, was ab jetzt kommt, wird einfach nur fantastisch werden.' Ernsthaft, gibt es ein besseres Gefühl?

Vanessas Liebe zur Musik, ihr mit etlichen Rückschlägen und Enttäuschungen gepflasterter Weg zum heutigen Erfolg, all das liest sich so mitreißend, dass man zwischenzeitlich meinen könnte, es handele sich um einen Roman. Das Werk umfasst keine 300 Seiten und dennoch war es wie eine kleine Reise für mich, auf der ich Vanessa begleiten durfte. Hätte mir jemand zu Beginn letzten Jahres prophezeit, dass mein Bücher-Highlight 2022 eine Autobiografie sein würde (keine kuschelige Weihnachts-Feel-Good-Story, kein faszinierender Regency-Roman, keine sexy Enenies-to-Lovers-Romance) … ich hätte es nicht geglaubt.

"In Beziehungen egal welcher Natur - ob nun romantischer, geschäftlicher oder freundschaftlicher - gibt es eine universelle Wahrheit: Was du erlaubst, das setzt sich fort. Das beginnt bei kleinen Respektlosigkeiten im Ton und Umgang und endet eben bei Betrügereien und toxischem Verhalten. Aber diese Lektion musste ich erst noch lernen."

Dieses Buch steckt voller Inspiration, es bietet so viel mehr als nur interessante Infos zu Vanessas Werdegang oder zur Schlagerbranche (nix da mit 'heile Welt' und Wir-haben-uns-alle-lieb-Stimmung), sondern regt auch im Hinblick auf ganz allgemeine Themen wie Familie, Verlust, Achtsamkeit/Selbstwahrnehmung oder zwischenmenschliche Beziehungen zum Nachdenken an.

An dieser Stelle ein Hinweis an die Romance-Leser:innen unter euch: In puncto Romantik kann das Werk locker mit sämtlichen Liebesromanen mithalten - inklusive der liebenswerten weiblichen Hauptfigur, die sich im Laufe der Zeit immer mehr ihres eigenen Wertes bewusst wird und hart für ihre Träume kämpfen muss, ehe sie ihr Happy End bekommt. Hach! "[…] denn jedes Buch braucht schließlich auch eine gute Lovestory". Stimmt genau.

"Ich war in meinen Beziehungen absolut naiv. Zu nett, zu lieb, zu gutgläubig, zu harmoniebedürftig - call it what you want. Und deswegen passierte mir immer wieder das Gleiche. Rückblickend betrachtet lieferte mein Liebesleben unbeabsichtigt eigentlich genau den Stoff, aus dem Schlager gewebt sind. Drama, Leidenschaft, Verzehren und Verzeihen. […] Denn mit mir konnte man's halt machen." - Been there, done that. Traurig, aber wahr … ich darf gar nicht weiter drüber nachdenken. Diese Zeit liegt Gott sei Dank lange hinter mir und ich konnte im Nachhinein wichtige Life Lessons daraus ziehen.

Was habe ich mitgefiebert bei Vanessas 'Floßbau'-Mission! Das verpatzte erste richtige Gespräch … die zahlreichen Setbacks - ob durch klassisches Versetztwerden oder 'Hackebeil-SMS' … viele Leute hätten längst entmutigt aufgegeben und sich gedacht: 'Na, dann soll es eben nicht sein.' Aber when you know, you know - und sie hat von Anfang an gewusst, dass ER der Richtige für sie ist. Inzwischen sind die beiden längst glücklich miteinander verheiratet; auch beruflich sind sie ein Dream-Team, führen quasi eine 24/7-Beziehung. (Spätestens nach dem Corona-Lockdown, der viele Paare in Sachen Harmonie an ihre Grenzen gebracht hat, dürfte klar sein: Rund um die Uhr gemeinsam Zeit verbringen und obendrein professionell miteinander arbeiten, das funktioniert nur, wenn es menschlich 100%ig passt.)

Man spürt auf jeden Fall den Reifeprozess, die Entwicklung, die Vanessa in den letzten Jahren durchlebt hat und erneut konnte ich nur zustimmend nicken.

"Heute fällt es mir nicht mehr schwer, Nein zu sagen. Grenzen zu ziehen fühlt sich für viele Leute, die wie ich sehr harmoniebedürftig und nicht immer super selbstbewusst sind, oft falsch an. Als würde man die Erwartungen der Leute enttäuschen, und eine Enttäuschung, das will man ja nun wirklich nicht sein! Schon gar nicht jemand wie ich, die extrem perfektionistisch veranlagt ist, eben weil sie immer so viel kritisiert wurde. […] Dabei ist Grenzen ziehen so wichtig. Vor allem eben ein rechtzeitiges […]".

Aus dem hoffnungsvollen, ambitionierten Mädchen, das sich einst noch brav allen Erwartungen und ungeschriebenen Gesetzen der Schlagerbranche gefügt hatte, um ja alles richtig zu machen - no shame in that, man will ja schließlich akzeptiert werden, dazugehören, Erfolg haben -, ist eine versierte, noch stärkere, noch bewundernswertere Frau geworden, die ihren eigenen Weg geht. Jeder, der in dieser von Kalkül und Oberflächlichkeiten geprägten Branche den Mut aufbringt, sich selbst und seinen eigenen Idealen und Wünschen treu zu bleiben, hat meinen vollsten Respekt. Einfach deswegen, weil es nicht selbstverständlich ist. (- Bleib mal auf Dauer du selbst, wenn es zunächst den Anschein hat, dass alle um dich herum mit einer Fake-Nummer oder dank nützlicher Connections erfolgreicher sind als du oder wenn von dir erwartet wird, dass du mit Dingen d’accord gehst, die du eigentlich ganz anders handhaben wollen würdest. Wenn nur an dir herumkritisiert wird, egal wie ehrlich deine Intentionen sind.) Ich denke nicht, dass es im realen Leben viele Menschen gibt, die es wagen würden, noch mal ganz von vorne anzufangen, kaum dass sie es endlich an die Spitze geschafft haben. Die lieber bewusst gegen den Strom schwimmen und ihr Ding durchzuziehen, als sich zu verbiegen, um so vielen Leuten wie möglich zu gefallen. Die nicht nur reden, sondern tatsächlich machen.

Eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen, mich bezüglich Zitaten bestmöglich zusammenzureißen, ich kann euch ja schlecht das gesamte Buch hier in die Rezension packen. (Allein die Kapitelüberschriften hätten eine eigene Auflistung verdient - so on point!) Aber dieses hier muss noch sein, immerhin gehört es zum oben erwähnten Wie-krass-ist-das-denn-Moment und wer weiß, vielleicht könnt ihr danach ja sogar den betreffenden Song erahnen:

"Kennt ihr das, wenn ihr euch etwas so sehr wünscht und es dann aber zum falschen Zeitpunkt eintritt? Und dann ist das irgendwie fast bitterer, als wenn es gar nicht passiert wäre? Wie wenn man seine große Liebe kennenlernt, aber gerade eine miese Trennung durch hat und nicht ready für das Commitment ist. Jahre später zerbricht man sich noch den Kopf: Was wäre gewesen, wenn …"

Jap. Sowas von. Wenn ich an manche Situationen oder Entscheidungen in meinem Leben zurückdenke (- allgemein betrachtet und unter dem Aspekt, dass alles gut ist, so wie es jetzt ist; oder in Vanessas Worten: "Ich habe immer eine Beziehung gesucht, wie ich sie jetzt führe.") … da fallen mir so einige What-if-Momente ein. Bei der Erinnerung an manche von ihnen würde ich am liebsten im Boden versinken, ähnlich dem Cringe-Gefühl, das Vanessa beim Gedanken an ihre ersten Bühnen-Outfits überkommt. (Wobei ich die Outfits übrigens gar nicht soooo furchtbar fand, es war halt 'ne andere Zeit).

Wie gesagt, ich kannte Vanessa bisher lediglich vom Namen her, ich schreibe diese Zeilen also nicht aus einer Fangirl-Mood heraus, sondern bewerte das Werk neutral nach meinen üblichen Kriterien. Versteht mich bitte nicht falsch - damit möchte ich nichts kleinreden; ich weiß durchaus, dass hinter einer Karriere solchen Ausmaßes unglaublich harte Arbeit steckt und ich freue mich ehrlich für sie. Ist alles fein und wohl verdient. Aber es sind nicht die Chartplatzierungen, Bühnenshows oder Medienpräsenz, die jemanden für mich interessant machen (im Sinne von 'Mit ihr/ihm würde ich gern mal plaudern!'), sondern das, was diese Person als Mensch ausmacht. In Vanessas Fall: Ihre Resilienz, ihre Ehrlichkeit, ihre Selbstreflexion. Ihr herrlicher Humor, ihre Schlagfertigkeit, ihr unerschütterlicher Optimismus. Und natürlich ihr künstlerisches Talent. Die Herzlichkeit dieser Power-Frau hat mich umgehauen und ich hätte am liebsten noch ewig weitergelesen.

Liebe Vanessa, ich weiß, dass du "alles richtig gemacht" in einem anderen Zusammenhang genutzt hast (bezugnehmend auf giftige Kommentare hinsichtlich deiner Beziehung), doch ich kann dir versichern, du hast wahrhaftig alles richtig gemacht. Und darauf kannst du verdammt stolz sein. - Du bist "sympathisch", man "gönnt" dir. Dein Buch zu lesen hat mich einfach nur glücklich gemacht und inzwischen kenne ich auch schon ein paar deiner Songs (- zack, hier kommt nächste Medaille von meinem Mann: dafür, dass er zur Weihnachtszeit mal ausnahmsweise nicht nur mit Weihnachtsliedern beschallt worden ist).

Fazit:
Eines meiner liebsten Bücher - ever. Es liest sich nicht wie eine Autobiografie, sondern wie eine wundervolle Geschichte, bei der man sich denkt: 'Hoffentlich dauert es noch ganz lange bis zum letzten Kapitel.' Absolute Leseempfehlung!