Rezension

Man wird natürlich fies überrascht

Kosmetik des Bösen - Amélie Nothomb

Kosmetik des Bösen
von Amélie Nothomb

Bewertet mit 5 Sternen

Man leidet mit der Hauptfigur, ja, ganz gewiss. Zugleich weiß man, dass alles noch ein "dickes Ende" bekommen wird.

Die Idee ist folgende von dem Buch: Du sitzt auf dem Flughafen, es wird verkündet, dass der Flug sich verspätet.

Nun kommt da jemand und bedrängt dich, nervt dich, belästigt dich. Niemand will das! Aber in dem Buch passiert das, was vielen immer mal passiert: Menschen, die wir partout nicht um uns haben wollen, drängen sich an uns heran, wollen uns nah sein, dieweil wir genau das nicht haben müssen.

So also ergeht es der Hauptfigur des seitenmäßig kurzen Buches. (Auf Seite 107 lesen wir schon das Ende.)

Im folgendes ist es nur noch die eine Person und die andere Person. Aber natürlich eskaliert alles. Zwei Menschen, eine Szene. Im Wartebereich eines Flughafens.

Wie das kommt? Mit der Eskalation?

Nun, wir wollen nicht zu viel von allem verraten. Jérôme Angus wartet auf den Flieger, und der unangenehme Textor Texel nervt ihn. Mehr und mehr und mehr. Denn der andere quatscht und zwingt ihn, unseren Jérôme, in einen andauernden Dialog. Auf dieses Gequatsche lässt sich der "dumme" Jérôme aber auch ein! (Also auch seine Schuld! Aber so sind wir Menschen eben!)

Schon sehr schnell gesteht der "Quälgeist", dass er, Textor Texel, ein Verbrechen begangen hat.

Man stelle sich das vor: Man selber säße an einem Flughafen, wolle nach Barcelona, ist verdrossen, und der Typ, der sich da aufzwängt, der gesteht ein Verbrechen, von dem man aber gar nichts wissen will. (Wer will von anderer Leute Verbrechen so direkt hören? Krimis lesen, nun gut, aber den Verbecher direkt vor sich haben? Face to face?)

Und so geht es weiter und weiter. Immer neue Details werden auf diese dialogische Weise dem Jérôme einerseits und uns Lesern andererseits mitgeteilt, zugetragen, aufgedrückt.

Es wird klammer, peinlicher und enger, weil es auch noch Vorwürfe gegen Jérôme selber geben wird. Textor geht gegen die Person Jérôme an, schießt sich auf den ein, überhäuft ihn mit Vorwürfen.

An dieser Stelle sollte man die Beschreibung und Darstellung des Geschehens abbrechen. Die Leser*innen sollen ja selber herausfinden, was da genau los ist.

Ja, die Leser*innen selbst sollen all die Beklemmung erfahren, diese seltsame Spirale der Zuspitzung, die Jérôme erleben muss. Sie sollen in seine Haut schlüpfen und sich genauso mies und bedrängt und eingezwängt fühlen wie Jérôme (auch wenn der ein Geschäftsmann ist und nicht alle von uns genau diesen Beruf haben).

Alles läuft auf ein großes Finale hinzu. Was kann es nur sein? Was?

Ein sehr gelungenes Buch. Schön.