Rezension

Margaret Atwood - ironisch, listig & liebenswürdig

Meine böse Mutter -

Meine böse Mutter
von Margaret Atwood

Bewertet mit 5 Sternen

"Du bist so böse“, wirft in Margaret Atwoods Kurzgeschichte die 15-Jährige Icherzählerin ihrer Mutter vor, die berechtigte Einwände gegen den neuen Freund Brian vorbringt. Heute hören wir den Spruch eher von Fünfjährigen, aber so war es eben im Toronto der 50er Jahre. Mit Fortschreiten der Geschichte hält die Tochter es offenbar für immer wahrscheinlicher, dass ihre Mutter tatsächlich über magische Kräfte verfügt. Was sonst sollte man von einer alleinerziehenden Mutter halten, die offenbar keine finanzielle Not leidet und Aussagen über das, was sie gerade im Mixer zusammenrührt, verdächtig oft verweigert.

Margaret Atwood erzählt gern davon, dass unter ihren Vorfahrinnen nachweislich Hexen gewesen sind. Bei einem ihrer Lieblingsthemen sind ein straffer Spannungsbogen ebenso zu erwarten wie Atwoods listiger Erzählton. Ich kringele mich allein schon vor Lachen, wenn in ihren Texten das Wort „schnell“ in Zusammenhang mit Kochen und Backen fällt. Ihre 15Jährige Protagonistin bedient meine Erwartung, wenn sie berichtet, dass ihre Mutter gerade ein „schnelles“ Rezept zubereitet. Der Gag geht auf Atwoods Erzählungen über ihre Mutter zurück, deren überlieferte Rezepte offenbar stets begannen mit „Du knetest schnell einen …“ (z. B. Pie-Teig).

Handwerklich erstklassig – macht neugierig auf "Old Babes in the Wood" (2023 ) / Hier kommen wir nicht lebend raus (2024)