Rezension

minimalistisch, cool, unaufgeregt

Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels - Friedrich Ani

Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels
von Friedrich Ani

Friedrich Ani kann man wohl getrost als Institution des deutschen Krimis bezeichnen. Seine zahlreichen Veröffentlichungen wurden vielfach mit Preisen ausgezeichnet und insbesondere die Tabor Süden-Romane erfreuen sich eines hohen Bekanntheits- und Beliebtheitsgrades.

Mit „Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels“ liegt der vierte Band der Reihe um den Münchener Hauptkommissar Tabor Süden vor, der zur Abwechslung mal nicht im Morddezernat, sondern in der Vermisstenstelle tätig ist. Somit liegt hier schon der erste größere Unterschied zu den üblichen Kriminalromanen vor, dem Leser begegnen hier andere Ermittlungsvorgänge, andere Fälle und andere Konflikte.

Der zweite und weitaus tragendere Unterschied ist die Figur Tabor Süden selbst. Gepaart mit dem ganz eigenen Erzählstil von Friedrich Ani entsteht so ein Roman, der unverwechselbar ist. Darin lag für mich auch die eigentliche Faszination beim Lesen. Denn man kann ohne Zweifel sagen, dass der Vermisstenfall in „Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels“ nicht zu den aufregendsten gehört und der Leser sich mit einer fast schon gemächlichen Gangart zufrieden geben muss, die aber wiederum absolut mit den Figuren harmoniert und dadurch zum Roman passt.

Süden und seine Kollegen haben es mit dem verschwundenen Schuster Max zu tun, oder vielmehr mit dessen Ehefrau Lotte und ihrer Schwester Paula. Die haben den Max nämlich als vermisst gemeldet. Doch es gibt keinerlei Anzeichen von Gefahr für Leib oder Leben und nur dann kann die Polizei eine Fahndung einleiten, ansonsten darf jede erwachsene Person ihren Aufenthaltsort frei bestimmen, auch ohne enge Angehörige informieren zu müssen. Und da Schuster Max bereits vor einigen Jahren einmal verschwunden und unversehrt wieder aufgetaucht ist, sieht die zuständige Dienststelle keinen Ermittlungsbedarf. Süden bleibt dennoch an dem Fall dran und recherchiert im Umfeld des Ehepaares. Dabei stellt sich mit der Zeit vieles ganz anders dar als zunächst angenommen...

Das Buch hat eine ganz eigene Dynamik und lässt sich für mich nur schwer mit anderen Krimis vergleichen, besticht aber eben durch seinen ganz eigenen Erzählstil und seine ganz eigene Hauptfigur. Süden erscheint fast schon verwegen, mit schwarzen Lederhosen, an der Seite geschnürt, Lederjacke, etwas längeren Haaren. Er ist lässig und cool, aber auf sympathische, ruhige Art und Weise. Wenn man bedenkt, dass die Figur bereits 1998 ihren ersten Auftritt hatte, könnte man ihn also fast als Vater der unkonventionellen Ermittler in der neuen deutschen Kriminalliteratur bezeichnen. Aber mehr vom Typ „Stille Wasser sind tief“, was im übrigen auch auf die Geschichte zutrifft. Die Dialoge sind fast schon minimalistisch, ihnen wohnt aber eine gewisse Art trockenen Humors inne, die mich öfter schmunzeln ließ. Es ist ein ganz eigener Ton, der dem Roman anhaftet und eine ganz eigene Stimmung zwischen Melancholie und Ironie erzeugt. Diese Stimmung fand ich sehr speziell auch gleichzeitig sehr authentisch und eindringlich.

Fazit: Ein ruhiger, unaufgeregter Roman, der weniger mit der Handlung als vielmehr mit seinen Figuren und seinem Stil zu begeistern weiß. Friedrich Ani überzeugt mich mit einer interessanten Erzählweise, die erahnen lässt, dass mit einem einzelnen Süden-Roman die gesamte Wirkung noch gar nicht greifbar wird. Ich freue mich auf mehr!

Gesamteindruck: Sehr sehr starke 3 Sterne mit Neugier auf weitere Süden-Romane!

 

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