Rezension

Mit beeindruckendem Sprachgespür führt der Autor durch eine faszinierende Landschaft und eine berührende, lehrreiche Geschichte!

Südfall -

Südfall
von Florian Knöppler

Bewertet mit 5 Sternen

Eigentlich eine Fluchtgeschichte, aber mehr noch eine Parabel über Menschlichkeit!

„Südfall“ ist für mich das erste Buch von Florian Knöppler und es hat mich, um das gleich vorwegzunehmen, für sich eingenommen, meine Gedanken bewegt und mich berührt.

Ich bemühe mich, keine Details aus dem Buch wiederzugeben, um zukünftigen Lesern – und dieses Buch hat viele Leser verdient – nichts vorwegzunehmen. Sehr wohl aber möchte ich meine Eindrücke zu Schreibstil und Plot, zu Charakteren und Setting und zur Sprachgewandtheit schildern.

Zum Inhalt also nur soviel: diese Geschichte beginnt mit dem Absturz eines englischen Piloten während des 2. Weltkriegs nahe der Hallig Südfall im nordfriesischen Wattenmeer und beschreibt seine Flucht von der Hallig über die Westküste Nordfrieslands Richtung Dänemark, um von dort zurück in die englische Heimat zu gelangen. Den Piloten, Dave, lernen wir als sympathischen, selbstreflektiert-grüblerischen, klugen und ob seiner Situation natürlich auch verunsicherten jungen Mann kennen, auf den eine ungewisse Zukunft wartet und der auf seinem Weg verschiedenen Menschen begegnet.

Es hat zugegebenermaßen ein paar Seiten der Lektüre gebraucht, bis ich mich an den Schreibstil und an die Art und Weise und die Intensität der Beschreibungen sowie an die Selbstgespräche, eher Gedankengänge der Figuren gewöhnt hatte, aber für dieses Buch und die Geschichte, die erzählt wird, hätte eben diese Schreibweise nicht besser gewählt sein können. 

Mit ruhigen Worten und gutem Blick werden die Figuren der Geschichte und ihre Begegnungen beschrieben. Dabei variiert der Autor seinen Schreibstil so gefühlvoll, dass man schon anhand der Wortwahl und Schreibweise der jeweiligen Person näher kommt; mal jugendlich, eher naiv und unentschlossen, dann erwachsen, reflektiert und pragmatisch, immer aber trotz aller Sorgen voller Hoffnung. Das liest sich jetzt vermutlich pathetisch, aber das ist es nicht. Es ist einfach nur wundervoll geschrieben und ebenso wunderbar zu lesen.

Und unabhängig davon, wem Dave begegnet, ob sein Gegenüber männlich oder weiblich ist, jung oder alt, und trotz der Tatsache, dass all diese Menschen mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen haben, erfährt Dave Hilfe. 

Dabei wiederholen sich Teile mancher Szenen, die ich schon zu kennen glauben, dann aber beschrieben aus der Sicht eines Anderen. Beide Beschreibungen zusammen ergänzen sich zu einem Gesamtbild, das stimmig ist und erklärend. Während des Lesens blättere ich zurück, um mir das Geschehen noch einmal vor Augen zu führen, und blättere wieder vor ... und verstehe.

Es mag unglaubwürdig klingen, dass Deutsche zu Kriegszeiten einem Engländer zur Flucht gen Heimat verhelfen, aber ich glaube, dass es bei dieser Geschichte in erster Linie nicht um den Krieg geht, sondern um die Zerrissenheit der Menschen in Krisensituationen, um ihre Sorgen und Ängste und darum, wie sehr wir Menschen aufeinander angewiesen sind, wie sehr wir aufeinander zugehen sollten, uns auf unsere Mitmenschen einlassen und ihnen zuhören sollten. 

Ich habe wohl schon lange nicht mehr bei einem Buch so sehr auch zwischen den Zeilen gelesen und mich gefragt, was wäre, wenn. Was könnte passieren, wenn Dave plötzlich keine Hilfe mehr erführe? Was geht in all den Menschen vor, die ihm helfen? Was überwiegt, die Angst vor Entdeckung oder der Wunsch, ja, der Drang, helfen zu wollen? Es stimmt, was der Autor an einer Stelle eine Figur sagen lässt: „das Leben braucht Bedeutung“! 

Nach dem Lesen muss ich erstmal durchatmen, lasse einiges Revue passieren, habe die Menschen, denen Dave begegnete, und die Landschaft, in der sie sich begegneten, fast bildlich vor Augen, verinnerliche dieses Gefühl von Geben und Nehmen, von Begreifen und Umdenken. Es fühlt sich an wie ein Ende und wie ein Anfang zugleich. 

Diese Geschichte hat mich berührt und ich wünsche ihr und dem Autor, dass noch viele sie lesen, bewusst und achtsam (wie man es heutzutage so gerne nennt) und sich auf sie einlassen. In meinen Augen ist „Südfall“ weniger eine Kriegsgeschichte als vielmehr eine Parabel über Menschlichkeit. Ich gebe 5 Sterne und einen Extra-Stern für all das, was zwischen den Zeilen steht.