Rezension

Über Begegnungen, die mehr sind als Spuren im Watt…

Südfall -

Südfall
von Florian Knöppler

Bewertet mit 5 Sternen

Dave, ein britischer Soldat landet nach einem Flugzeugabsturz im nordfriesischen Watt nicht weit von der Hallig Südfall. Was wird mit ihm geschehen? Wird er Hilfe erhalten, als britischer Soldat, dessen Land Bomben auf Hamburg abgeworfen hat? 

 

Vertrautheit entsteht zunächst in der Landschaft. Die Wattlandschaft in Nordfriesland ähnelt seiner Heimat an der britischen Küste. Ob dies ein gutes Zeichen ist? 

 

Obwohl die Handlung im Sommer 1944 angesiedelt ist, spielt das Kriegsgeschehen als solches nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr wirft der Autor einen Blick auf die Alltäglichkeit und Herausforderungen des Lebens auch unabhängig des Kriegsgeschehens und wählt dafür diesen besonderen Landstrich an der Nordsee. Besonders nicht nur wegen der einzigartigen Wattlandschaft, sondern auch der Menschen, die sie bewohnen. Bereits seine erste Helferin überrascht Dave mit ihrer uneingeschränkten Hilfsbereitschaft und nicht zuletzt auch dem Risiko, dass sie damit für ihn eingeht. Dies wird, so viel darf verraten werden, nicht die letzte besondere Begegnung für Dave auf seinem Weg sein. 

 

Denn diese durchziehen das Buch wie ein unsichtbarer Faden, Begegnungen zwischen Menschen. Es ist Dave der britische Soldat, der verunglückt ist, jedoch Dave der Mensch und Tierarzt, der einen Weg nach Hause sucht. Nach Hause darf hier sowohl geographisch, als auch im übertragenen Sinne nach seiner inneren Heimat verstanden werden. Und so sind es Begegnungen auf Augenhöhe die nicht nur Dave, sondern auch sein jeweiliges Gegenüber verändern. 

 

Bereits mit Daves Geschichte wird deutlich, welche Dämonen und Schicksale jeden einzelnen Menschen auch jenseits von Krieg ereilen können. Daves Zerrissenheit und selbst erlebte Gefühllosigkeit erklärt sich nicht primär aus dem Krieg, sondern Verlusten in seiner Vergangenheit, die er bisher eher halbherzig überwunden hat. Auch die weiteren Protagonisten Paul, Anna, Cecilie und Simon hadern jede und jeder auf ihre Art mit der Vergangenheit und Gegenwart. Alle nicht nur aufgrund der Ereignisse, die sie erlebt haben, sondern auch einer gewissen Zartheit und Tiefe in ihrem Charakter, die so oft nicht in eine raue, oberflächliche Welt und gesellschaftliche Zwänge passen mag und sie so doch auf eine eigentümliche Art und Weise eint. Was die Charaktere im Buch ausmacht, ist daher für mich, dass wir sie von ihrer verletzlichen, und vielleicht auch wahrhaftigsten Seite kennenlernen.

Ich bin begeistert, wie der Autor es schafft, für die verschiedenen Figuren in Stil, Sprache und Gedanken ganz eigene Welten zu erschaffen. Es sind dabei nur Nuancen in Wortwahl, Stil und Struktur, die beim Lesen immer wieder in die Gedanken, Nöte und Freuden der jeweiligen Protagonisten eintauchen lassen und sich zugleich umstandslos aneinander folgen.

Die Sprache ist atmosphärisch dicht, kein Wort zu wenig, keines zu viel, und lädt ein auch all die Nuancen zwischen den Zeilen wahrzunehmen und auf sich wirken zu lassen. 

Sehr gelungen fand ich die Beschreibungen und Parallelen der Wattlandschaft in Norddeutschland und Großbritannien.

Südfall ist so besonders, weil es aufzeigt, wie eine einzelne, vielleicht auch nur kurze Begegnung wichtige Denkanstöße geben kann, die einen selbst anders auf das eigene Leben blicken lassen und dieses damit auch verändern können. 

Dave hinterlässt Spuren, nicht nur flüchtige Spuren im Watt, sondern in den Menschen, denen er begegnet. So mag es auch der Leserin mit Südfall ergehen. Ein Buch, das Spuren hinterlässt und zum Nachdenken anregt.