Rezension

Mit etwas Trost überzuckerter Frust: "Claire"

Ein Abend bei Claire - Gaito Gasdanow

Ein Abend bei Claire
von Gaito Gasdanow

Bewertet mit 2 Sternen

Vor ca. 100 Jahren in Russland angesiedelter Roman um Krieg, Liebe und - Langeweile

Eine sehr belesene Freundin hatte auf Seite 20 von Gaito Gasdanows Roman "Ein Abend bei Claire" die Segel gestrichen und mich von ihrer vergeblichern Sinn- (bzw. "Sinneslust"?*g*)-Suche unterrichtet, als sie mir dieses Buch zukommen ließ. Aber die Beschreibung klang interessant, im Gedenken an "Doktor Schiwago", "Anna Karenina" und "Krieg und Frieden" machte ich mich erwartungsvoll über das Werk her.

Leise gehegte Befürchtungen im Hinblick auf mir immer wieder Probleme bereitende russische "Namensbandwürmer" erfüllten sich erfreulicherweise nicht. Aber: Endloser Fließtext, viele Seiten ohne Luftholpausen durch Absätze, Einschübe, wörtliche Rede etc., sich über zwölf Zeilen hinziehende Sätze (leider nicht in Thomas-Mann-Qualität) mit 3 oder 4 Semikola, wo man bereits spätestens nach dem 2. keinen Zusammenhang mit dem nur noch nebelhaft erinnerlichen Satzbeginn herzustellen in der Lage war (mehrfache Wiederholversuche brachten selten etwas) senkten das Lesevergnügen bodennah. Ich begann, Defizite bei meinem Volumen an Empathie und Verstand in Betracht zu ziehen, las aber tapfer bis zum Ende.

Ein Lichtblick - die Beziehung des in der Ich-Form erzählenden Protagonisten Kolja zu Claire ließ mich weitgehend kalt - war seine letzte Begegnung mit dem wesentlich älteren Witali, einem philosophisch angehauchten einsamen Sonderling, als ich etwas über "Rote" und "Weiße" erfuhr und auf die mir bis dahin unbekannten Begriffe "Fee Rautendelein" und "Smuta" stieß, die ich mir anschließend - ebenso wie den Plural von "Semikolon" ergooglete. Nicht erwartet hingegen hatte ich im tiefsten Russland den mir bekannten Begriff "Jotwede", den ich bisher eigentlich eher im Alt-Berlinischen ("J. w. d." von "janz weit draußen"=weit weg) verortet hätte. Wenn ausnahmsweise mal mit Claire oder ihren Familienmitgliedern gesprochen wurde, geschah dies auf - für normale Schulunterrichtsfragmente ausreichendem - Französisch, was aber unten auf der betreffenden Seite stets übersetzt wurde.

Fazit: Witali wird mir - traurig - in Erinnerung bleiben, der Rest nötigt mir ein hilfloses Schulterzucken ab. Und die Erleichterung, "durch" zu sein.