Rezension

mit Tiefe

Sieben Sekunden Luft -

Sieben Sekunden Luft
von Luca Mael Milsch

Bewertet mit 4 Sternen

Klappentext / Inhalt;

Die Komplexität des Menschseins
Wie existieren in einem System, das ein Durchatmen beinahe unmöglich macht?
Wie jeden Morgen sitzt Selah auf der Veranda und wartet in die Stille hinein. Drei Monate sind vergangen, seit Selah sich krankgemeldet hat, um zu verschwinden. Doch die gewünschte Einsamkeit wird unerwartet zur Triebfeder für Vergangenes und Verdrängtes: Aufgewachsen in bescheidenen Verhältnissen, ist Selahs Beziehung zur Mutter von Erwartungsdruck, Schweigen und Scham geprägt – sie begleiten Selah bis ins Erwachsenenalter hinein. Als die Mutter im Sterben liegt und Selah längst ein Leben mit der eigenen Familie führt, werden die noch immer klaffenden Wunden offenbar. Da sind ungewollte Erlebnisse und Entscheidungen, die wie Phantome an der Haut kleben. Eine Bringschuld, auch wenn Selah gar nicht weiß, wem gegenüber eigentlich. Und Glaubenssätze, die so tief verankert sind, dass deren Abschütteln Lebensaufgabe ist.
Ein polyphoner Roman von der Suche nach der eigenen Geschichte
Wie verhält man sich, wenn das ganze Universum versucht, einem die Existenz abzusprechen? Wenn man erst lernen muss, mit sich selbst umzugehen, aber auch mit allem Geschehenen, den eigenen Erinnerungen, denen man fast nicht trauen kann. Und das unter den gesellschaftlichen Bedingungen von Misogynie, Heteronormativität, Queerfeindlichkeit, von sozialem und finanziellem Druck?
Luca Mael Milsch schreibt von Fragilität, die zur Stärke wird, von einer Welt voller Ambivalenzen, von der Sehnsucht nach einer selbstbestimmten Verortung in einer starren Struktur. Und darüber, was von uns übrigbleibt, wenn alles andere verschwindet.

Cover:

Das Cover wirkt auf mich eher abstrakt. Erinnert an eine Art Landkarte und die leichten Farben schweben für mich dahin. Ein Cover das weder aufdringlich, noch lange präsent wirkt, sondern einfach ist. Auch die Gestaltung und das Spiel mit der Schriftart ist eher einfacher Natur. 

Meinung:

Nachdrücklich, bewegend und keineswegs schnell lesbar. Ein Roman mit Nachwirkung und tieferen Eindrücken in die Vergangenheit mit Bezügen zu Scham und Druck, düsteren Einblicken und schwierigen Beziehungen. Kein locker leichter Roman, sondern eher etwas zum Nachdenken und zugleich bewegend. 

Inhaltlich möchte ich hier gar nicht zu sehr ins Detail gehen und halte mich mit weiteren Informationen dazu zurück. 

Der Schreibstil ist gelungen und auch die Struktur ist gut gewählt. Die Einblicke sind emotional und auch die Umsetzung und die Perspektivwechsel sind gut gemacht. Teils ist es jedoch eine große Wucht, die hier auf den Leser prallt, so dass man als Leser einige Pausen benötigt und es mal nicht eben nebenbei liest.

Die Jahreszahlen dienen sehr gut der Orientierung. Die Abschnitte haben eine gute und angenehme Länge. Die Geschichte ist emotionsreich und bewegend. Auch durch die verschiedenen Perspektiven und besonders durch die Ich-Perspektive findet man sich besonders in Selah hinein. Man kann die Gedanken und Gefühle nah mit empfinden und auch die vorhandene Atmosphäre ist spürbar.

Die Erzählung berührt und auch die Rollenverhältnisse und Beziehungen werden immer klarer und deutlicher. Die Vergangenheit ist prägend und holt einen immer wieder ein. Es stimmt nachdenklich und bewegt. Auch in mir hat es einiges ausgelöst und mich zum Nachdenken über einige Dinge und Situationen gebracht. Interessant gemacht, teils aber auch etwas langatmig. Mir hätte noch etwas mehr Fokussierung gefallen. 

Fazit:

Nachdrücklich, bewegend und keineswegs schnell lesbar. Ein Roman mit Nachwirkung und Tiefe.