Rezension

Modernes Märchen über Oberflächlichkeit und ihre Tücken

Beastly - Alex Flinn

Beastly, Deutsche Ausgabe
von Alex Flinn

Bewertet mit 4 Sternen

Kyle hat alles: Das Geld seines Vaters, eine hervorragende Ausbildung und vor allem ein unglaublich attraktives Äußeres. Da seine Arroganz und Überheblichkeit dem in nichts nachstehen, behandelt er diejenigen, die er für unter seiner Würde hält, dementsprechend grausam, nicht ahnend, dass er selbst bald bitter dafür büßen muss.

 

Kyle Kingsbury kann sich alles leisten, sowohl finanziell als auch menschlich. Davon ist er zumindest felsenfest überzeugt. Jeder, der in seinen Augen unter ihm steht, bekommt seinen Spott und seine Verachtung zu spüren.
Als eine neue Mitschülerin ihn wegen seines Verhaltens zur Rede stellt, beschließt er, ihr eine Lektion zu erteilen. Doch das Mädchen ist in Wirklichkeit eine Hexe und rächt sich fürchterlich an ihm. Sie verwandelt ihn in ein hässliches Biest, gibt ihm allerdings die Chance, sich von diesem Fluch zu befreien. Dafür muss er innerhalb von zwei Jahren eine Frau finden, die ihn in seiner neuen Gestalt aufrichtig liebt. Sollte ihm das nicht gelingen, würde er für immer ein Monster bleiben.

 

Der Plot ist bekannt, denn er entspricht demjenigen des Märchens Die Schöne und das Biest. Schon der Titel deutet an, dass es sich um eine Neuadaption handelt, die in unserer Zeit spielt, verlegt ins heutige New York. Das Neue ist dabei, dass die Geschichte aus der Sicht des Biestes erzählt wird, in all ihren Facetten. Man erlebt Kyles herablassende Art und Mitleidlosigkeit genauso hautnah mit wie seine Verzweiflung und die daraus resultierende Wut über seine Situation. Anfangs erscheint er keinen Stückweit sympathisch, ist nicht einmal dank seiner Fixierung auf Äußerlichkeiten ein wirklicher Antiheld.
Das ändert sich mit seiner Verwandlung. Er gewinnt deutlich an Tiefe, besonders als Freunde und Familie ihr wahres Gesicht zeigen und sie ihn ebenso ausgrenzen, wie er es früher mit unbeliebten Mitschülern getan hat. Sein Vater lässt ihn verstecken, um zu verhindern, dass irgendjemand von seinem missgestalten Sohn erfährt, engagiert aus dem Grund sogar einen blinden Hauslehrer. Und an Kyles Reaktion erkennt man schmerzlich, wie sehr der Teenager eigentlich nur eines will: Es seinem alten Herrn recht zu machen, um von diesem geliebt zu werden.

 

Am interessantesten sind jedoch die Nebenfiguren, die sich um ihn kümmern. Man erlebt sie zwar lediglich aus Kyles Sicht. Trotzdem wachsen sie einem ans Herz und verleihen der Story eine angenehme Abwechslung, indem sie hin und wieder das Selbstmitleid des Hauptcharakters durchbrechen. Sie sind lebendig gestaltet und bilden einen angenehmen Kontrast zu Kyles früherem Umfeld. Positiv stechen zum Beispiel die wenigen Szenen, die das Biest im Chat verbringt und sich mit anderen „Monstrositäten“ unterhält, bekannt aus den beliebtesten Märchen. Auch Lindy, die „Schöne“, besticht nicht durch ihr hübsches Äußeres, sondern vor allem durch ihren Mut und ihre Klugheit.
Dagegen wirken die Reichen und „Privilegierten“ blass und eindimensional. Natürlich unterstreicht das noch ihre Oberflächlichkeit und die Lehre dahinter, dass weder Geld noch Aussehen einen Menschen ausmachen. Doch an manchen Stellen erscheint es zu plakativ und vorhersehbar, um wirklich abwechslungsreich zu sein.

 

Beastly ist ein modernes Märchen darüber, dass Macht, Reichtum und Attraktivität nicht alles sind und einem auch nicht das Recht geben, über andere zu urteilen. Denn sollte sich das Blatt wenden, verliert man außerdem noch seine so genannten Freunde und erfährt, was sie in Wahrheit über einen denken. Diese Botschaft wird manchmal zu dick aufgetragen, besonders wenn Kyles früheres Umfeld beschrieben wird.
Allerdings unterhält der Roman vor allem durch die wunderbar geschilderte Liebesgeschichte und die sympathischen Helfer des Biestes, sowie durch seinen zynischen Humor und die kleinen Anspielungen auf die Vorlage. Das verleiht ihm einen unverwechselbaren Charme und bietet dank dem lockeren Schreibstil für kurze Zeit gute Unterhaltung.