Rezension

Momentaufnahmen der Vergänglichkeit

Ein so junger Hund - Patrick Modiano

Ein so junger Hund
von Patrick Modiano

Bewertet mit 5 Sternen

Paris im Frühjahr 1992: Der Erzähler stößt auf ein altes Foto und die Erinnerung setzt sich in Gang: Francis Jansen hatte es gemacht, der Fotograf mit der Rolleiflex, der bald darauf für immer verschwand. In dessen Atelier war er mitgegangen, das bereits wie verlassen wirkte. Nur die drei Koffer voller Fotos, dem Vergessen überlassen. Das war 1964, Frühling in Paris und er ein so junger Hund.

Modianos Erzählung "Ein so junger Hund" kommt leicht, fast schwerelos daher und wirkt dennoch lange nach. Was andere mit 1000 Seiten nicht schaffen, gelingt dem Autor mit nur 100 Seiten – einen tiefen Eindruck zu hinterlassen.

Ein Text, wie eine willkürliche Ansammlung von Schwarz-Weiß Fotografien. An manchen Stellen gestochen scharf, dann wieder Passagen, die sich aus dem wabernden Nebel der Erinnerungen nur noch unscharf rekonstruieren lassen. Eine Geschichte, die durch Zeit und Raum zu schweben scheint. „Wenn ich mich an diesen Abend erinnere, so empfinde ich das Bedürfnis, die Schemen, die mir entgleiten, einzufangen und sie wie auf einer Fotografie festzuhalten. Aber nach so vielen Jahren verblassen die Konturen … Dreißig Jahre reichen aus, um Zeugen und Beweise verschwinden zu lassen.“

Was bleibt, ist eine Melancholie und die Erkenntnis, dass sich die Leere – ob sie nun vom Holocaust oder anderen „Zufällen“ verursacht wird – nicht mehr füllen lässt. Nicht mit Fotos, daran ist Jansen gescheitert, und nicht mit Worten, was der Erzähler versucht. Selbst die Erinnerungen verblassen irgendwann.  „Über allem scheint die Sonne, die gleiche Sonne wie über der Nummer 140, eine gleichgültige Sonne. Durch diesen Schnee, durch diese Sonne schien eine Leere hindurch, eine Abwesenheit.“