Rezension

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Mut in dunkler Zeit - bewegend

Rebekkas Tagebuch - Eckart zur Nieden

Rebekkas Tagebuch
von Eckart zur Nieden

Bewertet mit 5 Sternen

„…Wenn du nicht weißt, was du glauben sollst, weil du nicht weißt, wer recht hat, dann richte nicht danach, was die Leute sagen, sondern danach, was sie tun…“

 

Paul hat seine Bildhauerwerkstatt im alten Kuhstall eingerichtet. Doch der Platz wird eng. Deshalb steigt er auf den alten Heuboden, um sich die Konstruktion des Bretterbodens anzusehen. Als er einen Stapel roter Ziegelsteine zur Seite räumt, findet er ein Buch, eingeschlagen in ein Tuch. Es ist ein Tagebuch und in Sütterlin geschrieben.

Die Geschichte spielt auf zwei Ebenen. Zum einen geht es in der Gegenwart um Paul und seine Familie, zum anderen werden nach und nach die Einträge des Tagebuches vorgelesen. Sie beginnen am 3. Juni 1941 und wurden von Rebekka Schimmel geschrieben.

Paul Born lebt mit seiner Frau Stefanie und der fünfjährigen Tochter Leonie auf dem Hof des Großvaters. Auch Pauls Mutter Thea wohnt hier.

Der Autor hat eine bewegende Familiengeschichte geschrieben. Paul erlebt eine zweite Überraschung. Ein Unbekannter schickt ihm eine größere Summe Geld, da er eine Schuld bei der Familie begleichen wolle. Paul glaubt, dass der Absender sein unbekannter Vater ist, dessen Name ihm die Mutter immer verschwiegen hat.

Pauls Urgroßeltern hatten 1941 das jüdische Ehepaar Schimmel auf dem Heuboden des Kuhstalls versteckt. Über diese Zeit schreibt Rebekka. Schimmels waren zwar Juden, hatten aber ihren Glauben nie wirklich gelebt. Das Tagebuch ist für mich der eigentliche Kern des Romans. Zwischen den Familien Born und Schimmel finden tiefgreifende Gespräche statt. Schimmels erleben, wie gelebter Glaube aussieht. Er stellt sich gegen Hass, zeichnet sich durch Barmherzigkeit und gelebte Nächstenliebe aus. Als die kleine Thea auf den Hof kommt, erhalten die Unterhaltungen eine gewisse Leichtigkeit. Das heißt, dass sie zwar nach wie vor ernsthaft geführt wurden, aber kindlicher Glaube findet ganz andere Worte als Erwachsene in ihrer Diskussion. Plötzlich erscheint manches ganz einfach und unkompliziert.

Paul erhält den Auftrag,  ein Denkmal für die ermordeten oder verschwundenen Juden zu schaffen. Das führt zu Konflikten in der Familie. Plötzlich durchdringt die Vergangenheit die Gegenwart. Lange Verschwiegenes bricht auf.

Das Buch lässt sich zügig lesen und hat mich schnell in seinen Bann gezogen. Dazu hat auch der Sprachstil beigetragen. Aussagekräftige Dialoge in beiden Zeitebenen und griffige Metapher für Glaubensfragen zeichnen ihn aus. Gut herausgearbeitet wurden die vielschichtigen Beziehungen zwischen den Protagonisten. Gleichzeitig fand der Autor die richtigen Worte, um aufzuzeigen, wie die einfachen Menschen die Kriegszeit erlebten. Viele kleine Lebensgeschichten von Mut, Hilfe und Dank sind in der eigentlichen Handlung verborgen.  

Das Cover passt ausgezeichnet zur Geschichte.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Der Autor hat deutlich herausgearbeitet, dass der Glaube den Mut zur Tat gibt, auch wenn der Hass Staatsdoktrin ist. Andererseits haben auch gläubige Eltern nie die Garantie, dass ihnen die Kinder auf ihren Weg folgen.