Rezension

Mysteriöse Cold-Case-Fälle, die auf eigene Faust spannend und interessant wieder aufgerollt werden!

Im Auftrag der Toten -

Im Auftrag der Toten
von Axel Petermann

Bewertet mit 5 Sternen

Ein Mann wird wegen Mordes an seiner reichen Tante zu lebenslanger Haft verurteilt – doch die Ermittlungsunterlagen offenbaren haarsträubende Widersprüche. Der Tod einer lebensfrohen Frau wird als Selbstmord deklariert, obwohl belastende Indizien auf den gewalttätigen Ex-Freund hinweisen. Den Mord an zwei jungen Mädchen legt die Schweizer Polizei vorschnell zu den Akten, weil die nötigen Beweise fehlen …

Axel Petermann zeigt anhand seiner neuesten Fälle, warum gängige Ermittlungsmethoden häufig versagen. Als Außenstehender kann er unabhängig ermitteln und trägt mit der »operativen Fallanalyse«, dem Profiling, maßgeblich dazu bei, die komplexen Verbrechen aufzuklären. Fesselnd und detailreich schildert er hier jeden einzelnen seiner Arbeitsschritte – man ist bei der Wahrheitsfindung hautnah mit dabei.

"Im Auftrag der Toten: Cold Cases – Ein Profiler ermittelt - Ungelösten Morden auf der Spur" von Axel Petermann‎ ist am 13. September 2021 im Heyne Verlag erschienen. Der bekannteste Profiler Deutschlands, der in diesem Sachbuch spektakuläre, unfassbare und ungelöste Mordfälle in Griechenland, München und der Schweiz auf die Spur kommt, berichtet sachlich und fesselnd zugleich über die wahren Kriminalfälle, die unter die Haut gehen. Die Suche nach den (wahren) Tätern wird tiefgründig beschrieben. Was Axel Petermann nach eigenen, aufwändigen, gründlichen und teilweise sehr schwierigen Recherchen ans Licht gebracht hat, ist verblüffend und erschreckend. Ich erhielt viele spannende und authentische Einblicke aus dem Leben und der Arbeit eines Tatortanalytikers, dabei beschreibt er seine Entdeckungen und Fakten sachlich, aber nicht gefühlskalt. Er weiß genau, wieviele Emotionen er an sich heranlassen darf. Es wird wahrheitsgemäß und frei von jeglicher Sensationsgier geschrieben, wichtige Details der rekonstruierten Tathergänge werden vom Autor verständlich und logisch formuliert, seine Entdeckungen detailliert begründet und aufgeklärt. Ich hatte während des Lesens unheimlich klare und teilweise sehr erschreckende Bilder vor Augen, einige Details haben mich sogar zum nachrecherchieren angeregt. Die verschiedenen Positionen, die erhängte Leichen nach ihrem Tod einnehmen können, fand ich zum Beispiel ziemlich interessant. Bei dieser schrecklichen Realität, die brisante Fakten enthält, braucht man nicht in einen Thriller oder Krimi eintauchen, der vor Fiktion stotzt. In "Im Auftrag der Toten" schaut sich der pensionierte Profiler noch einmal drei Kriminalfälle genau an und untersucht Ermittlungsabläufe, Beweise und Täterprofile.

Aber auch kleinste Blutspuren an Gegenständen eines ansonsten blutfreien Tatorts können dem Profiler helfen, mysteriöse Todesumstände aufzuklären, die er seine Leser/innen verständlich erklärt. Unzählige Zeugenaussagen wurden aufgearbeitet und diese wenn möglich, nochmals befragt. Diese mühsame Arbeit, die nicht immer zum Erfolg geführt hat, wurde ebenfalls geschilderten. Axel Petermann hat mich in seinem Buch auf drei Tatorte mitgenommen, sodass ich das Gefühl hatte, direkt an den Orten der Geschehnisse mit dabei zu sein. Dabei entstand jedes mal ein sehr beklemmendes Gefühl. Wichtige Fakten wurden genannt und obwohl ich über viele Details informiert wurde, gab es keine langatmigen oder langweilen Beschreibungen. Jede der schrecklichen Begebenheit hat mich sofort in den Bann gezogen. Es geht um Kapitalverbrechen, die unglaublich, erschreckend und blutig sind. Jeder Fall umfaßt ein Kapitel, verteilt auf 384 Seiten. Die Verbrechen sind spannend und mir wurde ermöglicht, bei den Tathergängen mitzurätseln. Am Ende eines Kapitels wurden vom Profiler die wichtigsten Erkenntnisse zum jeweiligen Fall nochmal deutlich zusammengefasst, seine Vermutungen der Tathergänge verdeutlicht und Fehler der vorherigen Ermittlungen aufgeführt. Dabei war deutlich herauszulesen, dass es Axel Petermann nicht darum geht, seine Kollegen bloß zu stellen. Er übt Kritik an Strafverfolgung und Justiz aus, als neutraler Beobachter vertritt er seine Meinung, die er wie gesagt klar und deutlich begründet. Denn er stellt die hier beschriebenen Fälle sachlich und objektiv dar, nachdem er sie neu aufgerollt hat und im Anschluss durch mühsame Arbeit neue Ansichten schafft.

Axel Petermann schreibt nicht nur über drei schwierige Fälle, auch gewährt er viele Einblicke in die Methoden eines Profilers und erklärt, was die Spuren am Tatort über die Psyche des Täters verraten. Ich fand seine Täterprofile nachvollziehbar, nachdem er mir die Taten menschlicher Abgründe aufgezeigt hat. Sein Vorgehen der Fälle hat er flüssig, leicht verständlich und authentisch Schritt für Schritt erklärt. Die Fälle, über die Axel Petermann berichtet, übernimmt er "pro bono". Wenn seine "Auftraggeber" ihn überzeugen können in einem Cold-Case-Fall zu ermitteln, stellt er nur zwei, in meinen Augen, faire Bedingungen. Freie Hand bei seinen Ermittlungen sowie das Einverständnis, den Fall im Anschluss zu veröffentlichen, indem er in seinem Buch darüber schreiben darf. Das finde ich fair und für beide Seiten eine gute Lösung, Tätern nach einer schrecklichen Tat doch noch auf die Schliche zu kommen. Nach welchen Kriterien er dabei vorgeht fand ich absolut nachvollziehbar. Ihm ist es ein Anliegen, dass das Leid der Opfer im Bewusstsein bleibt. Angehörige fragen sich, wer verantwortlich ist. Auch wenn Täter manchmal nicht mehr verurteilt werden können, ist die Ermittlungsarbeit als Signal immer noch wichtig.

Die drei Cold-Case-Fälle, die hier geschildert wurden, bleiben definitiv in Erinnerung:
•Mit Dutzenden Schlägen wurde die schwerreiche Charlotte Böhringer 2006 umgebracht. Die Richter verurteilten ihren Neffen, der sie aus Habgier brutal ermordet haben soll. Doch die Familie glaubt an seine Unschuld. Ob hier ein Justizskandal vorliegt oder der Verurteilte ein perfektes Schauspiel veranstaltet ist bis heute nicht bekannt.
•Bei dem ungeklärten Kristallhöhlen-Doppelmord bei der Oberrieter Kristallhöhle sind im Juli 1982 zwei Goldacherinnen verschwunden. Der 2. Oktober 1982 – neun Wochen nach dem Verschwinden der Mädchen, brachte Gewissheit: Die Leichen der Mädchen wurden nahe der Kristallhöhle gefunden. Die Mordopfer sind zu einer Velotour aufgebrochen, ein bis heute unbekannter Täter hat das Leben der beiden auf brutale Weise beendet. Der Fall bleibt ungeklärt.
•Als man Nora Feller im Jahre 2007 fand, kniete sie auf dem Fußboden, ihr Kopf steckte in der Schlinge zweier zusammengeknoteter Schals, festgemacht an einem Balken. Nachbarn hatten die Polizei alarmiert, sich über den Gestank gewundert, der aus der Wohnung kam. Für die Polizei war sofort klar: Suizid, ein Tötungsdelikt wurde ausgeschlossen. Eine kurze Ermittlung, eine schnelle Obduktion, der Fall war erledigt. Doch Noras' Eltern in Berlin wollen sich bis heute nicht mit dem angeblich plötzlichen Suizid abfinden. Neben der Trauer um ihre Tochter nagen Ungewissheit und Zweifel an der offiziellen Version.

Für mich ist das Buch eine klare Leseempfehlung. Besonders für alle, die keine Fiktion brauchen, um tiefe Einblicke in erschreckende Mordfälle zu erhalten. Dass richtig gedeutete Spuren nicht lügen, zeigt Axel Petermann auf eine unheimlich spannende und interessante Weise!