Rezension

Netti auf einem Weg in eine bessere Zeit

Das Mädchen aus Ostpreußen -

Das Mädchen aus Ostpreußen
von Karin Lindberg

Bewertet mit 5 Sternen

Dieses Buch erschien 2023 im Verlag Tinte & Feder und beinhaltet 375 Seiten.

„Ein Neuanfang in schweren Zeiten, eine starke Frau, und eine Liebe, die nie vergeht…“

1945 ist die Hansestadt Lüneburg überfüllt mit Vertriebenen aus Ostpreußen, die Wohnungsnot und der Hunger machen den Menschen schwer zu schaffen. Auf der Flucht hat auch die junge Netti alles verloren. Immerhin ergattert sie für ihre Familie und für sich ein ungeheiztes Zimmer auf einem Bauernhof, sie sind aber dort nicht willkommen. Der britische Besatzungsoffizier Alan Thompson bietet ihr eine Stelle als Haushälterin in seiner Offiziersvilla an und sie nimmt dankbar an. Die Arbeit macht ihr nichts aus. Jedoch Thompsons kühle, abweisende Art macht ihr zunehmend zu schaffen. Und dann gibt es diesen einen Abend, als sich Gäste in seinem Haus respektlos über die junge Deutsche äußern und er sie in Schutz nimmt…

Ich bin ein absoluter Fan der Autorin Karin Lindberg, von der ich schon eine Menge Bücher gelesen habe, von denen ich immer wieder begeistert bin. Dieses Buch ist etwas ganz Besonderes. Das Cover gefällt mir sehr gut und passt ausgezeichnet zum Inhalt. Diese Geschichte wird in zwei Zeitperspektiven erzählt: Da gibt es zum einen die Enkeltochter Nettis, Johanna, die im Jahr 1993 sich von ihrem bisherigen Leben trennt und vorerst zu ihrer Oma aufs Land in die Lüneburger Heide  zieht, um dort über sich nachzudenken, zum anderen erfahren wir aus dem Leben Nettis aus dem Jahr 1945. Netti kommt mit ihrer Familie von Ostpreußen nach Lüneburg. Schon der Krieg war schlimm genug. Doch auch jetzt erfährt sie eine Zeit voller Entbehrungen. Das kann man sich, wenn man diese Zeit nicht erlebt hat, kaum vorstellen. Doch die Autorin hat alles so wunderbar beschrieben, dass ich alles total gut nachvollziehen konnte. Mich macht das nachdenklich und betroffen. Was jammern wir heute auf höchstem Niveau! Damals hatten die Menschen kaum zu essen, die hygienischen Zustände sind unvorstellbar und doch waren sie auf ihre Art glücklich. Sie hatten kaum etwas und haben trotzdem das Beste daraus gemacht. Netti hat für ihre Familie sehr hart gearbeitet, oft von ganz früh bis spätabends. Immer wieder getrieben von der Hoffnung, dass bald alles besser wird. Als Johanna, ihre Enkelin, sich von ihrem Freund trennt, ihre Wohnung weitervermietet und so bei ihren Großeltern an- und unterkommt, möchte sie alles besser machen als bisher. Ihr Großvater hat bald Geburtstag und als sie alte Bilder heraussucht, findet sie ein Bild, das sie nicht mehr loslässt und so macht sie sich auf die Suche nach der Geschichte, die dahintersteckt. Ich war echt überrascht, was sie dabei erfährt. Wir erleben hier das Leben der jungen Netti, das sprachlos macht und aufrüttelt. Sie steht als Beispiel für viele Vertriebene, die trotz allen Strapazen, die sie auf sich genommen haben, ihren Lebensmut und die Hoffnung auf bessere Zeiten nie verloren haben. Ich hatte das Gefühl, hautnah dabei zu sein. Das konnte nur gelingen, weil die Autorin Karin Lindberg alles so toll beschrieben hat. Wenn ihr Johannas und Nettis Geschichte erleben möchtet, dann solltet ihr unbedingt dieses Buch lesen. Ich habe geweint, gelacht, geliebt, gelitten, gehofft und gebangt. Nettis Geschichte ging mir sehr zu Herzen. Es kam ein Ende, mit dem ich nicht wirklich gerechnet habe. Was für eine wunderschöne Geschichte über eine Zeit, die man nie vergessen sollte! Es ist eine Geschichte, die das Herz berührt und doch macht sie nachdenklich und ein wenig traurig. Am Ende kullerten mir vor Rührung die Tränen. Dieses Buch empfehle ich sehr gern weiter. Die Autorin Karin Lindberg hat mich auch dieses Mal begeistert, fasziniert, komplett überrascht und überzeugt.