Rezension

Nomadenschule ****

Die Zeit im Sommerlicht -

Die Zeit im Sommerlicht
von Ann-Helén Laestadius

Bewertet mit 4 Sternen

Else-Maj wächst in den 1950er-Jahren in Nordschweden auf, in einem Sami-Dorf, gemeinsam mit ihren Nachbarn und den Rentieren. Traditionelle Kleidung und Gesänge sowie eine eigene Sprache unterscheiden die Samen von den Schweden. Das aber soll den Nomadenkindern bald ausgetrieben werden – in einem Internat unter der gestrengen – und ungerechten – Leitung von Rita Olsson, der „Hexe“. Als auch noch die empathische Erzieherin Anna verschwindet, verliert so mancher Zögling im Heim die Hoffnung auf Gerechtigkeit, noch etwa dreißig Jahre später verfolgen die ehemaligen Schüler schreckliche Erinnerungen an diese Zeit.

Warmherzig und voller Empathie schildert Autorin Ann-Helén Laestadius diese interessante, aber traurige Geschichte in zwei Zeitebenen. Während der 1950er-Jahre erleben wir Elsa-Maj, Marge, Jon-Ante und einige andere Sami-Kinder im Internat. Dort werden sie gedrillt, Schwedisch zu lernen und ihre eigene Sprache, die „Sprache des Herzens“, zu verleugnen. Selbst ihre Namen werden ins Schwedische übertragen. Kein Wunder, dass unter der verbitterten, alten Direktorin keine Freude und kein Lachen in den kindlichen Gesichtern zu sehen sind. Die traumatischen Erfahrungen dauern über Jahrzehnte an und beeinflussen auch noch weite Bereiche ihres Erwachsenenlebens, welches Mitte der 1980er-Jahre abgebildet wird. Besonders erschreckend an all den Szenen ist die Tatsache, dass wahre Begebenheiten ihre Grundlage darstellen und nicht etwa gut ausgedacht sind. Aus erster Hand kennt Ann-Helén Laestadius Zeugenberichte, waren doch sehr nahe Verwandte von den geschilderten Zuständen betroffen. 

Weniger naturnah als in „Das Leuchten der Rentiere“, dennoch überaus beeindruckend und glaubwürdig erzählt die Autorin über samische Sitten, den Zusammenhalt im Dorf und das allgegenwärtige Gefühl von Schuld und Opfer-Sein. Obwohl beide Zeitebenen überaus authentisch sind, kommt es da und dort zu etwas langatmigen Stellen, am Ende jedoch schließt sich der Kreis und lässt eine gewisse Versöhnung mit der Vergangenheit zu. 

Interessante Einblicke in das Leben der Samen, bildreiche, gut vorstellbare Szenen und eine sehr angenehme, ruhige Erzählweise lassen auch dieses Buch von Ann-Helén Laestadius zu einem Erlebnis werden, welches ich gerne weiterempfehle.