Rezension

Norderney im Sommer 1912

Die Tote in der Sommerfrische - Elsa Dix

Die Tote in der Sommerfrische
von Elsa Dix

Bewertet mit 5 Sternen

Es ist Sommer im Jahr 1912 auf Norderney. Die Reichen und Prominenten treffen sich auf der Insel um dort ihre Sommerfrische zu genießen. Unter ihnen der junge Journalist Christian Hinrichs, ehemaliger Kriminalreporter, der über diese Zeit einen Bericht für die Damenillustrierte Frau von Welt schreiben soll und Viktoria Berg, die hier ihre Zeit verbringt bevor sie ihre Arbeit als Lehrerin an einer Reformschule angeht. Sie trifft hier die ehemalige Angestellte ihres Vaters Henny Petersen, die als Dienstmädchen im Palais-Hotel arbeitet, in dem Viktoria und Christian logiert. Am nächsten Tag zieht Christian Hinrichts Henny ertrunken aus der kalten Nordsee. Warum ist das junge Mädchen ins Wasser gegangen? Oder war es gar kein Selbstmord?

Da die Polizei die Sache gleich ad Acta legt, machen sich Christian und Viktoria gemeinsam auf Spurensuche.

 

Ich habe es genossen, in die Welt der Reichen und Neureichen vor über 100 Jahren einzutauchen. Heute unvorstellbar, dass es damals unschicklich war, die Hand seiner angebeteten in der Öffentlichkeit zu halten, geschweige denn sie zu küssen. Es gibt getrennte Strandabschnitte für die Damen und die Herren. Frauen in diesen Kreisen dienen meist nur als schmückendes Beiwerk.

Viktoria Berg ist da erfrischend anders. Sie ist selbstbewusst, weiß sich durchzusetzen und freut sich auf ihre neue Selbstständigkeit. Ihre Unbeschwertheit wirkt anziehend und lässt auch Christian Hinrichs nicht kalt. Auch er hat sich durchgesetzt, als Kind aus der Arbeiterklasse seinen Gymnasialabschluß geschafft und gegen den Willen seines Vaters den Beruf des Journalisten gewählt. Auch Severin von Seyfarth, Dr. Moritz Feuser und die Damen der Familie Balow, die ich hier kennenlerne, passen ausgezeichnet in die hier beschriebene Zeit und kommen authentisch und klar rüber. Ich sehe die Damen in ihren mondänen Kleidern auf der Seebrücke flanieren, sehe die Herren im Salon mit ihren Zigarren vor mir sitzen. Eine Zeit, die so gut beschrieben ist, dass ich sofort darin eintauchen konnte und mich für die kurze Zeit des Lesens dort auch wohlgefühlt habe. Trotzdem bin ich froh, in der heutigen Zeit leben zu dürfen.

Die Geschichte, die sich doch schnell als Kriminalfall herauskristallisiert, ist knifflig. Aber Christian und Viktoria geben nicht auf, lassen sich auf einige riskante Manöver ein und gelangen mit ihren Spürnasen erst ganz zum Schluss der Geschichte an ihr Ziel und an die Auflösung des Falles bzw. der Fälle. Denn es gibt einen weiteren Toten.

Mehr wird hier aber nicht verraten.

Die 55 meist kurzen Kapitel sind mit einer zum Kapitel passenden Überschrift versehen und diese mit einem kleinen Rahmen, der ausgezeichnet zu dieser Zeit passt.

Es geht um Intrigen, Erpressung, Mord, Ungehorsam, die Moral und Klassenunterschiede in der Kaiserzeit und um das ganz langsame selbstständig werden der Frau.

Dieser Seebad-Krimi liest sich so leicht und locker, wirft zeitkritische Fragen auf, ist spannend und sehr unterhaltsam. Ich würde mich freuen, wenn Christian und Viktoria sich wiedersehen und vielleicht ein neues Abenteuer gemeinsam erleben würden.