Rezension

Nun ja ...

Team Helsinki -

Team Helsinki
von A.M. Ollikainen

Viel Spaß beim Knobeln :-(

Generell mag ich Thriller, wenn sie interessant geschrieben sind, speziell die sozialkritischen Krimis des schwedischen Sjöwall/Wahlöö. Es mag an der langen Zeit des "langweiligen" Friedens in Skandinavien liegen, das die heutzutage von dort stammenden Thriller "spannende Unterhaltung" sind, stets grausamer und blutrünstiger, dass sie massenhaft von deutschen Verlagen gekauft werden und Autoren hierzulande kaum noch Chance haben, veröffentlicht zu werden.

Nicht gegen Gewalt im der Literatur, wenn ihre Darstellung einen Sinn ergibt und nicht reiner Selbstzweck ist. Ein Beispiel hierfür sei "Evi" des nahezu unbekannten Autoren Jack Ketchum, herausgegeben mit einem höchst interessanten Vorwort von Stephen King im Heyne-Verlag.

Das finnische Autorenpaar Aki und Milla Ollikainen hat zahlreiche Preise auf dem englischsprachigen Buchmarkt eingeheimst, und so ist es kein Wunder, dass der Verlag Bastei Lübbe kurz nach Erscheinen der Originalausgabe "Die Tote im Container" in der Übersetzung von Gabriele Schrey-Vasara in Deutschland herausbringt. Bekanntlich setzen deutsche Verlagen seit Beginn der Corona-Krise fast nur noch auf Bewährtes, und was soll das mit einen Skandinavien-Thriller schon schiefgehen.

Auf  Umschlagseite zwo schauen uns die Autoren mit zusammengekniffenen Augen und Mündern finster an, Totengerippe auf ihren T-Shirts. Die Buchseiten sind schwarz umrandet und auf der Rückseite wird gleich die ganze Handlung erklärt: Vor dem Anwesen einer reichen Unternehmerfamilie wird in einem Container die Leiche einer Afrikanerin gefunden. Natürlich misestrauen die braven Ermittler den Wohlstandsbürger, denn seit  Sjöwall/Wahlöö in den 80-ern sind skandinavische Thriller sozialkritisch. Das Genre ist also gut bedient, alles wie gehabt.

Jedoch schock der Thriller eher durch "Adjektivitis". Die in der Literatur bekannte Füllwortkrankheit zeigt sich in einer erdrückenden Last von Adjektiven: Luft ist abgasgeschwängert, Morgensonne flimmert, Vorstadtviertel schmutzig, die Kälte schneidend, eine zerknitterte Anzugsjacke aschgrau und mit Flecken übersät, ein Passant aufmerksam, Nebel lichtet sich, die Atemzüge sind schwer und Frischluft wird ausgedünstet.

Zu viele billige Klischees und überflüssige Eigenschaftsworte erschlagen uns Leser. Auf dem dritten Absatz der ersten Seite des Thrillers sind wir schon schachmatt gesetzt.

 "Die erste Fassung ist immer Mist"

soll Hemingway gesagt haben, ein Meister sprachlicher Präzision, der seine Texte immer wieder überarbeitet und gnadenlos Füllwörter herausschneidet, bevor er solch großartige Texte auf die Leser loslässt wie in seinem Roman "Fiesta", bei Rowohlt als Taschenbuch erschienen.

Nein, die erste Seite von "Die Tote im Container" ist keine Rohmanuskript, sondern die Endfassung. In besagtem Stil geht es ewig weiter. Die Personen werden genauso lasch beschrieben wie die Dialoge nichtssagend sind. Zugute halten kann man den Autoren, dass sie ihr Buch vor dem Ukraine-Krieg herausgebracht haben, bevor das vor hundert Jahren noch zu Russland gehörende Finnland in Angst und Schrecken versetzt damit rechnen muss, demnächst ebenfalls zurückerobert zu werden.

"Es wird oft behauptet, echte Solidarität können man nur für eine begrenzte Gruppe von Menschen empfinden." (Seite 8)

Diese Worte legen die finnischen Autoren ihrer Hauptfigur Hannes in den Mund, einer Figur, mit der Leser genauso wenig Sympathie empfinden können wie mit allen anderen, wird sie doch auf abstoßende Weise beschrieben, was eine Identifikation verhindert. So scheißt sich dieser Hannes schwallartig in die Hose und sitzt eine Seite weiter ganz ruhig auf einer Parkbank. Gab es da wirklich keine Problem mit der Kacke beim Niedersitzen? Sparen wir uns, diesen Logikfehler zu analysieren ...

Echte Solidarität erlebt jetzt, das der Thriller auf dem Buchmarkt geworfen wird, ganz Osteuropa, Finnland erwägt den Nato-Beitritt. Millionen von Flüchtlingen, das ist keine begrenzte Gruppe. In gewisser Weise ist dieser sozialkritische Thriller out of time, kaum dass er erscheinen ist. Shit happens.

Auf Seite 14 wird eine weitere Figur eingeführt. Beschreibung:

"eine Frau mit einer großen, billigen Sonnenbrille"

Zwei Sätze weiter:

"auch sah die Perücke billig aus"

Okay, dann vielleicht Empathie mit dem Opfer, einer in einem Metallcontainer eingeschlossenen Afrikanerin, deren Tod aus der personalen Perspektive geschildert wird? Auch das spart sich das Autorenduo Aki und Milla Ollikainen. Doch bitteschön, wie soll ich empathisch zittern mit einer Eingeschlossenen, wenn es keine Indentifikationsangebote gibt. 

Zumal: Bereits auf Umschlagseite vier steht geschrieben, dass sie nur als Tote dort wieder herauskommt. "Ein Krimi voller Power" wird dort eine finnische Krimigesellschaft zitiert. Sorry, aber stattdessen hätte dort in Großbuchstaben der Hinweis SPOILERWARNUNG stehen sollen.

So aber nichts als gähnende Langeweile auf den ersten 50 Seiten. Und dann noch die bange Frage: 

Wie ist es überhaupt möglich, dass ein Metallcontainer derart voll Wasser gepumpt wird, dass man darin erstickt?

 Hat so eine Kiste nicht normalerweise Fugen und Ritzen, aus denen alles wieder raustropft??

Müssten die bösen Mörder nicht gigantische Massen an Silikon-Fugenkleber etc. von innen verspritzen, und das neben der noch lebenden, nur betäubten Afrikanerin, dann den Behälter durch eine hermetisch sich verschließende Tür verlassen, und dann ob den gigantischen Wasserdruck beim Einlassen der Flüssigkeit durch ein Loch unten im Behälter einen Hochdruckkompressor anschließen? Und wäre das Öffnen solch eines unter Hochdruck stehenden riesigen Gefäß nicht schwierig gewesen???

Och nö, da wurde mal eben die Containertür geöffnet, Wasser spritzte leicht raus und Ermittler, blass und fad von Adjektivitis-Füllwortkrankheit gezeichnet, nehmen irgendwelche Ermittlungen auf. Nun ja, liebe Leser, ich vergebe mal einen von fünf Sternchen, denn das einzig Spannende an diesem Thriller ist für mich Frage, Ob es nicht Marsmenschen waren, die das Ding da hinplatzierten, etwas so ähnlich Außerirdische ihren Metallkubus auf den Mond in "2001: Odyssee im Weltraum", von Stanley Kubrick verfilmt. 

Viel Spaß beim Knobeln!