Rezension

Opfer und Täter

Tiger, Tiger - Margaux Fragoso

Tiger, Tiger
von Margaux Fragoso

Bewertet mit 4.5 Sternen

464 Seiten 

Klappentext 
Als Margaux Fragoso zweiundzwanzig ist, verliert sie ihre größte Liebe und wird zugleich von ihrem größtem Schmerz befreit. In poetischer Sprache und mit klaren Worten erzählt sie die Geschichte ihrer gestohlenen Kindheit. 

„Ich begann dieses Buch im Sommer nach dem Tod von Peter Curran zu schreiben, den ich mit sieben Jahren kennenlernte und mit dem ich fünfzehn Jahre eine Beziehung hatte, bis er im Alter von sechsundsechzig Selbstmord beging.“ 

Inhalt 
Margaux ist sieben Jahre alt, als sie im Schwimmbad auf Peter trifft. Er ist sehr nett zu ihr und lädt sie zu sich nach Hause ein. Margaux und ihre Mutter machen sich eines Tages auf den Weg zu Peter in sein Haus. Es wimmelt nur so von niedlichen und interessanten Tieren und Margaux ist sofort gefangen von diesem Ort, von den Tieren und nicht zuletzt von Peter. Alles übt eine Anziehungskraft auf sie aus, der sie sich nicht entziehen kann. 
Doch Peter ist nicht der, der er vorgibt zu sein. Peter ist zwar äußerst nett zu Margaux und es entwickelt sich mit der Zeit eine Beziehung zwischen dem alten Mann und dem kleinen Kind, aber nicht so, wie sie sein sollte, wie sie normal gewesen wäre. 
Margaux kann sich ihm nicht entziehen. Peter macht sie abhängig von sich und lebt seine Vorlieben an und mit ihr aus, auf eine Art, die es Margaux unmöglich macht sofort zu erkennen, was Recht und was Unrecht ist. Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf. 

Meine Meinung 
Peter Curran ist ein alternder Mann der junge Mädchen liebt. Er liebt sie auf eine pädophile Art und Weise. Als er Margaux trifft, erschleicht er sich ihr Vertrauen, ihre Zuneigung und nicht zuletzt ihre Liebe. Margaux ist unbekümmert und offen und ist zu jung, um zu erkennen, was Peter bezweckt, dass er nicht der gute Freund ist, der nette Onkel von nebenan. Außerdem kommt Margaux aus schwierigen familiären Verhältnissen. Ihre Mutter ist psychisch instabil und vor ihrem Vater hat Margaux Angst. Peter ersetzt sozusagen Vater und Mutter, setzt wenige bis keine Grenzen, spielt mit ihr und ist der beste Spielkamerad, denn ein kleines Mädchen sich nur wünschen kann. Und so bemerkt Margaux anfänglich nicht, dass die spielerischen, sexuellen Übergriffe nichts mit Liebe und Zuneigung zu tun haben, sondern mit Missbrauch. Peter schreibt ihr sogar Briefe. Liebesbriefe. Unter die er täglich die Zeilen: „Ich denke an dich und liebe dich für immer“ setzt. Peter ist ein kranker, perverser, alternder Mann, der es versteht, kleine Mädchen auf seine Seite zu ziehen, sie gefügig zu machen, ohne dass sie Verdacht schöpfen, ohne dass sie in Frage stellen. Er versteht es, Margaux das Wort Liebe auf seine ganz eigene Art beizubringen, mit großem Erfolg. Margaux hält ihre besondere Beziehung geheim. Margaux ist sogar so von Peter abhängig, dass sie krank wird, wenn sie nicht zu ihm kann, nicht in seiner Nähe ist. Der Leser lernt auf informative und leider realistische Art und Weise kennen, was das Stockholm-Syndrom bedeutet. 
Margaux Fragoso schreibt dieses Buch nach dem Tod von Peter. Doch sie schreibt nicht anklagend als typisches Opfer. Es liest sich wie eine seichte, beginnende Liebesbeziehung, die sich erst im Laufe der Zeit als Opfer und Täter entpuppt. Und das macht den Roman so schockierend und einzigartig und nicht zuletzt bewegend und lesenswert. Diese Autobiografie zeigt auf, wie leicht Kinder manipulierbar sind, wie leicht es Täter haben. Es zeigt auf, wie wichtig einmal mehr intakte Familienverhältnisse sind, Aufklärung schon im frühesten Kindesalter. 

Fazit 
Ein zutiefst trauriges Buch. Beklemmend. Poetisch. Faszinierend und doch schockierend.