Rezension

Persönliche Geschichten und Erinnerungen

Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte - Rafik Schami

Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte
von Rafik Schami

Bewertet mit 4 Sternen

»Kindheit ist mehr als Ort und Zeit. Sie ist ein Gefühl, eine Lebenseinstellung. Sie ist ein Spiel und eine Philosophie. Kindheit, das sind Träume, Geschehnisse und Geschichten, die uns prägten und prägen.«

Schon einige Bücher von Rafik Schami wohnen dauerhaft in meinem Bücherregal. Ich mag seine Art zu erzählen, die Leichtigkeit, mit der er sprachlich Kulturen miteinander verknüpft.

Dieses Buch reizte mich, weil es laut Klappentext als sein persönlichstes Buch beschrieben wurde. Und wenn all das, was hier zu lesen ist, wahr ist, dann ist es auch wirklich sehr persönlich.

 

Der Leser unternimmt mit Schami einen ausgiebigen Ausflug in dessen Kindheit. Man durchstreift mit dem kleinen Rafik die Gassen Damaskus, sieht das bunte Treiben vor sich, riecht die vielfältigen Düfte und hört allüberall Geschichten. Schamis Kindheit scheint damit bis zum Rand angefüllt gewesen zu sein. Sein geliebter Großvater erzählte sie, Nachbarn, der Friseur. Spätabends saß der kleine Junge vor dem Radio und lauschte den Geschichten von Scheherasad – und natürlich begann er auch früh, selber zu erzählen. Sehr klug von ihm, hatte ihm doch der Großvater gesagt, dass ein Mann, der keine Geschichten erzählen kann, Gefahr läuft, von seiner Frau auf dem Markt verkauft zu werden…

 

Nun, Schami wird diesem Schicksal sicher nicht entgegensehen müssen. Er wurde ein wirklich großer Erzähler, für seine vielen Auftritte ist er in 30 Jahren so viele Kilometer gefahren, dass es neunmal um die Erde reichen würde. Mit diesem Buch blickt er auf seine Anfänge zurück, ergründet, weshalb er Erzähler wurde, welche Kindheitserlebnisse dabei prägend waren. Wie so oft ist alles in Episoden geschildert, die auf irgendeine Weise miteinander verwoben sind. Diese Abschnitte, die sein Leben in Damaskus schilderten, die Kindheitserlebnisse und alles rund um den wundervollen Großvater mit der schier unendlichen Fantasie, habe ich sehr gerne gelesen.

In einigen Abschnitten wurde es für mein Empfinden aber zu theoretisch, zu sprachwissenschaftlich. Das konnte mich nicht im gleichen Maß fesseln. Ich habe, wie meist bei Büchern mit Geschichten, jede einzeln bewertet und daraus einen Schnitt gebildet, dieser liegt bei 4,3 Sternen.

 

Fazit: Persönliche Geschichten und Erinnerungen, meist sehr schön, in einigen Fällen für mein Empfinden zu theoretisch.

 

»Dort, unter den Zuhörern sitzend, begriff ich die filigrane Beziehung zwischen dem mündlichen Erzähler und seinem Publikum. Ich spürte als Zuhörer den Respekt, den er mir entgegenbrachte. Ich konnte es noch nicht erklären, aber Liebe bedarf keiner wissenschaftlichen Erklärung.
Die erzählten Worte trugen mich auf ihren Flügeln zu fernen Kontinenten und fremden Völkern. Und wenn die Erzählung zu Ende war, kehrte ich immer wie benommen nach Hause zurück und träumte davon, eines Tages Erzähler zu werden.«

Kommentare

Brocéliande kommentierte am 02. Februar 2019 um 23:34

Dieses Buch fehlt mir noch in meiner Schami-Sammlung ;) Besten Dank für die informative Rezension!