Rezension

Plakativ

Unter Deck -

Unter Deck
von Sophie Hardcastle

Bewertet mit 2 Sternen

Gleich vorweg: Hier geht es um sexuelle Gewalt und was ein so einschneidendes Erlebnis mit einem macht. Das wird im Klappentext schon angedeutet und nebenbei wird ein „sprachgewaltiger Roman“ versprochen. Das klang schwer, aber sehr ansprechend. Doch im ersten Teil des Romans dachte ich, ich sei in einer Young-Adult Romanze gelandet.

Olivia ist das arme Mädchen, das nicht für sich selbst einstehen kann. Ihr reicher Daddy ist streng und gefühlskalt. Ihr reicher Freund schwankt zwischen liebevoll und Arschloch. Und der sehr gute Abschluss in Wirtschaft ist ebenfalls kein Grund zur Freude, hätte sie doch viel lieber Kunst studiert. Oje. Doch dann trifft sie auf Mac und Maggie und die beiden älteren Herrschaften drehen mit einem gemeinsamen Segeltrip ihr ganzes Leben um. Doch die neugewonnene Freiheit auf See hält nicht lange, denn ein Törn mit einer Gruppe junger Männer wirft ihr Leben nochmal komplett aus der Bahn. Hier verabschieden wir uns zwar zeitweise von YA-Ton, aber er kommt leider später wieder. Und nur weil Olivia als Synästhesistin hin und wieder Farben als Beschreibung für Geräusche und Gefühle verwendet, ist der Erzählstil nicht gleich poetisch oder gar sprachgewaltig. Es ist ein nettes Gimmick, hätte aber für meinen Geschmack eine wesentlich größere Rolle spielen dürfen.

Mir war in diesem Roman einfach alles zu plakativ. Der Vater plakativ egoistischer Businessman. Mac und Maggie plakativ liebevoll. Segeln plakativ perfekt. Die Jungs auf dem Boot plakativ männlich und bedrohlich. Der Trip selbst plakativ dramatisch. Das Ende plakativ voll Selbsterkenntnis und Frauenpower. Aber das scheint der Stil der Autorin zu sein. Zwischendurch haben wir noch dezente – nein, Scherz – plakative Verweise auf Umweltschutz und LGBTQ-Themen, die ziemlich gewollt wirken.

Auch die Figuren haben mir zum größten Teil nicht gefallen. Sophie Hardcastle will eine bestimmte Geschichte erzählen und die Figuren sind Mittel zum Zweck. Aber so natürlich alles andere als lebendig. Warum die Jungs auf den Schiff so handeln wie sie handeln war mir ein Rätsel. Es sind gutaussehende Blaupausen für den bösen Mann, mehr nicht. Auch ihre Eltern und die Personen, denen Olivia später im Roman begegnet sind ähnlich flach. Hier sieht man sich einmal – buchstäblich! – und ist sofort best friend. Das verstehe ich genauso wenig, wie die männliche Bedrohlichkeit vorher.

Es fällt mir schwer ein so wichtiges und ernstes Thema so zu verreißen, aber meines Erachtens ist die Umsetzung hier einfach misslungen. Dieser Roman mit dem wunderschönen Cover hätte durchaus was werden können, leider hat er meinen Geschmack völlig verfehlt. Einzig die Gefühle Olivias im Bezug auf die sexuelle Gewalt und was das Erlebte mit ihr macht fand ich treffend. Doch zu viel unnützes drumherum, flache Figuren und ein plakativer Erzählstil überschatten die gelungenen Passagen einfach zu sehr.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 03. Dezember 2021 um 07:00

Wow, das nenne ich mal ein schlechtes Buch. Es reicht eben nicht, wenn man die richtigen Begriffe einwirft und gut ist.

Schöne Rezi mit gelungenen Formulierungen. Besonders getroffen: gutaussehende Blaupausen für böse Jungs! Haha. Nehm ich mal mit, die Formulierung.

katzenminze kommentierte am 03. Dezember 2021 um 18:26

Nimm dir mal mit! :D Aber ich würde dich gerne drüber meckern hören. Leih es dir doch von Himmi! XD Mein Exemplar durfte heute ins öffentliche Regal umziehen.

wandagreen kommentierte am 04. Dezember 2021 um 00:16

Ne danke, Minzi. Hab noch so viel zu lesen!