Rezension

Plastische Studie der Höllenqualen

Happy Hour in der Hölle - Tad Williams

Happy Hour in der Hölle
von Tad Williams

Bewertet mit 3 Sternen

Ich bin Tad Williams Fan der ersten Stunde. Ich habe alle seine Bücher gelesen und geliebt. Auch den ersten Teil der Bobby Dollar-Reihe fand ich großartig und das, was ich jetzt sage, sage ich gar nicht gerne, aber es muss gesagt werden: Das war schrecklich!

Natürlich darf Fantasy absurd sein, aber hier verfolgt man mit Erstaunen, wie der coole Anwaltsengel Bobby Dollar zum liebeskranken Rambo mutiert. 
Er geht in die Hölle, um seine Geliebte Dämonin Caz zu befreien. Das ist spannend und heroisch, aber an welcher Stelle ist denn diese Liebe so grenzenlos geworden? Hab ich was verpasst? Ich meine, ihre Beziehung war äußerst kurz. Gut, vielleicht lieben Engel intensiver, weiß man´s?

Also geht er durch die Hölle und die Hölle ist wirklich höllisch. 
Hier zeigt uns Herr Williams, dass er erzählen kann. Die Hölle ist grauenhaft, unwirtlich, stinkend, gefährlich, bevölkert von monsterartigen Wesen unterschiedlichster Art. In seinen schlimmsten Alpträumen stellt man sich die Hölle nicht so höllisch vor. Bobby schlägt sich durch, im wahrsten Sinne des Wortes. Immer wieder wird er in Kämpfe mit allerfinstersten Gestalten verwickelt. Da fliegen die Fetzen und die Körperteile, das Blut fließt in Strömen. Zum Glück können Engel nicht sterben, sonst hätte Bobby schon die ersten Kapitel nicht überlebt. Auch abgebissene Hände wachsen nach, das ist hilfreich.

Man schwankt zwischen Ekel und Bewunderung. Einerseits ist das Buch ein einziges Schlachtfest, blutigste Kämpfe und Folterqualen, zwischendurch flieht Bobby wieder vor irgendwem, das langweilt zunächst nicht, weil es wirklich brillant erzählt wird. Trotzdem denkt man früher oder später: Jetzt ist es genug… und schon wird Bobby wieder gefangen genommen. Auch die wiederholten „Caz, oh Caz, werden wir jemals zusammenkommen?“- Stellen laden zum Überblättern ein.

Grundsätzlich ist die Idee ja spannend und originell: Engel liebt Dämonin, wie können sie zusammenfinden? Selbst wenn es Bobby gelingt, seine Liebste aus der Hölle zu befreien, wo sollen sie leben (ähm…wohnen!), wenn die Verbindung weder im Himmel noch in der Hölle toleriert wird? Und da winkt uns Sam mit dem „dritten Weg“ aus Band 1 so deutlich zu, dass man sich fragt: Lieber Herr Williams, ist das Ihr Ernst? Schreiben Sie, ausgerechnet Sie, eine Trilogie, bei der man nach dem ersten Band schon ahnt wie es ausgeht? Ich bin zwischenzeitlich empört und hoffe auf eine gewaltige Überraschung in Band 3.

Natürlich kann man es jetzt noch nicht genau wissen, aber ich habe den Eindruck, dass die eigentliche Geschichte erst im nächsten Band weiter geht. Dieses Buch war ein Abstecher in die Hölle (den man vermutlich einfach auslassen kann) (Echte Fans lesen es natürlich trotzdem!). Bobbys irdisches Dasein mit den verzwickten diplomatischen Beziehungen zum Himmel hat mir sehr viel besser gefallen. Hoffen wir auf den dritten Band.