Rezension

Portrait einer heimat- und perspektivlosen Generation in New York

Sweetbitter - Stephanie Danler

Sweetbitter
von Stephanie Danler

Bewertet mit 3 Sternen

Das Problem an Stephanie Danlers Debüt 'Sweetbitter', sind die falschen Erwartungen, die durch Rezensionsschnipsel wie 'Sweetbitter wird eine Menge Leute hungrig machen.' (New York Times) geschürt werden. Der Umschlagtext lässt auf einen Roman hoffen, der von Genüssen in einem Nobelrestaurant handelt, nicht auf ein hemmungsloses Porträt einer orientierungslosen Gruppe von Menschen, die sich selbst und gegenseitig permanent manipulieren, emotional wie pharmazeutisch.

Die Protagonistin Anfang 20 flieht aus ihrem alten Leben und will in New York neu anfangen. Sie bekommt einen Job in einem Top Restaurant am Union Square und wird daraufhin Teil einer Belegschaft, die sich rund um die Uhr zudröhnt, um den stressigen Job halbwegs auf die Kette zu bekommen. Der Druck, der auf allen lastet um vor den Gästen einen guten Eindruck zu machen, ist immens, hinter den Kulissen ist aber alles weit davon entfernt, perfekt zu sein. Als zusätzliche Komplikation üben zwei Angestellte, ein junger Mann und die Chefkellnerin des Restaurants, eine ganz besondere Anziehung auf die Hauptfigur aus, doch ist es nicht so einfach, zu den beiden durchzudringen und sich zwischen sie zu stellen - vielleicht auch nicht sehr ratsam.

Der Schriftsteller Jay McInerney behauptet "Sweetbitter is a stunning debut novel, one that seems destined to help define a generation." Wenn das so ist, dann muss ich mir wirklich große Sorgen machen, denn ich bin genau die Generation, (Mitte 70er-Mitte 80er-Geborene), die Stephanie Danler charakterisiert. Ich hoffe für mich und meine Altersgenossen, dass mehr in uns steckt als belanglose und destruktive Obsessionen, die nur dazu dienen, die Sorgen, die wir uns um unsere Zukunft machen, ruhig zu stellen.

Viel mehr glaube ich, dass Danlers Roman eine durchaus künstlerische Form der Selbsttherapie ist. 2016 schrieb Danler in einem Artikel für VOGUE, wie sie sich von ihrem drogenabhängigen Vater emanzipierte. Wie sie und ihre Schwester zwischen ihren Eltern hin und hergeschoben wurden, wie Danler auch später, mit einer vermeintlich tollen frühen Hochzeit kein Glück fand und orientierungslos und gezeichnet blieb, sie schreibt:
"Loving liars, or addicts, or people who abuse your love, is a common affliction, more common than abusing substances. And those of us who are afflicted are mostly the same. We have a gift for suffering silently. No one taught us to trust ourselves, and in turn we trust no one. We never developed a sense of self that is worth protecting."
Das ist Sweetbitter. Eine Sammlung von verletzten, zutiefst geschädigten Charakteren, die alle irgendwie aus Danlers eigener Biographie zu stammen scheinen. Der Charme Jakes ist der Charme ihres Vaters, das verkorkste Verhältnis zwischen ihm und Simone kann das Danlers zu ihrem Vater, aber auch das aufgrund der Umstände vielleicht überstrapazierte zu ihrer Schwester charakterisieren.
Letztenendes ist Sweetbitter ein Einzelschicksal, das gekonnt in einen schockierenden Coming-of-Age-Roman umgesetzt wurde, aber keineswegs die Charakterisierung einer ganzen Generation. Die Szenerie ist ansprechend und neu und liefert dazu ähnlich enthüllende Einblicke in einen Mikrokosmos, wie es damals Weisbergers 'Der Teufel trägt Prada' tat.