Rezension

Potential verschenkt

Empfindliche Wahrheit - John Le Carré

Empfindliche Wahrheit
von John Le Carré

Bewertet mit 3.5 Sternen

Gibraltar: ein Diplomat Ende 50 ist unter dem Decknamen Paul Anderson in geheimer Mission unterwegs. Obwohl er sonst eigentlich eher nicht als Spion an vorderster Front tätig ist, wurde er vom neuen Staatsminister Quinn persönlich für diesen Einsatz ausgewählt. Er soll als „rotes Telefon“ agieren und so Quinn unmittelbar über das Fortkommen von Operation Wildlife berichten. Diese wird in Kooperation mit der privaten Sicherheitsfirma Ethical Outcom durchgeführt und soll einen Waffenankauf von hochgefährlichen Terroristen unterbinden. Die Operation gelingt. Zumindest soll Paul das glauben. Und auch Toby Bell, ein enger Mitarbeiter von Quinn stößt auf einige Ungereimtheiten. Nachforschungen eindeutig unerwünscht…

 

Empfindliche Wahrheit war mein erstes Buch von diesem Autor, ich kann also nicht sagen ob es sich um einen „typischen Carré“ handelt. Ich muss auch ehrlich zugeben, dass mir der Stil des Autors nur bedingt zugesagt hat. Er schreibt recht unaufgeregt, vielleicht war das mit ein Grund warum mich dieses Buch nur mäßig fesseln konnte. Zudem hatte ich sprachlich immer das Gefühl in einem Spionagethriller aus den 60ern zu stecken, die Handlung spielt aber heute; kamen SMS, Google und Co vor, hat mich das immer etwas irritiert. Die Gründe für das Handeln der Protagonisten Anderson und Bell kann man sehr gut nachvollziehen, insgesamt bleiben diese Charaktere aber etwas blass. Le Carré greift ein brisantes Thema auf, kann es aber nicht gänzlich überzeugend umsetzen. Anfang und Ende des Buches fand ich recht schwach, im Mittelteil jedoch schafft es der Autor einen Sog aufzubauen, der einen mitten hineinzieht in das Gebilde aus Lügen, Vertuschungen, Korruption und Verschwörungen. Hätte er dieses Niveau über das ganze Buch halten können, wären durchaus 5 Sterne drin gewesen, aber so schien mir einiges Potential verschenkt.