Rezension

Probleme einer Richterin

Kindeswohl - Ian McEwan

Kindeswohl
von Ian McEwan

Bewertet mit 3.5 Sternen

„Was hatte sie denn getan? Sich in die Arbeit vergraben, ihren Mann vernachlässigt, sich von einem langwierigen Fall ablenken lassen?“ (Seite 100)

Fiona ist total aus der Bahn geworfen, als sich ihr 60jähriger Mann nach langer Ehe ihre Erlaubnis für eine Affäre mit einer jungen Frau holen will.
„Richterkollegen lobten Fiona Maye, selbst in ihrer Abwesenheit, ob ihrer klaren, beinahe ironischen, beinahe warmherzigen Prosa und der Knappheit, mit der sie einen Streitfall darzulegen mochte.“ (Seite 20)
Nun überschatten ihre Erinnerungen an eine glückliche Ehe, das Nachdenken über ihre Kinderlosigkeit und wie die zustande gekommen war, die Berufstätigkeit der 59jährigen. War das  die Strafe, sich alleine – ohne die Unterstützung erwachsener Kinder - der Katastrophe stellen zu müssen?
Und das Ganze ausgerechnet in einer Zeit, in der ein besonders schwerer Fall ihr ganze Aufmerksamkeit erfordert: Ein 17 jähriger Leukämiepatient, durch seine Eltern bei den Zeugen Jehovas zu Hause, verweigert sich einer Bluttranfusion und will lieber sterben. Als sie Adam Henry im Krankenhaus besucht, trifft sie auf einen jungen Mann, der genau weiß, was er will.

Ian McEwan hat sehr interessante Themen aufgegriffen. Allerdings hat er sich im zweiten von fünf Kapiteln so intensiv mit Fionas Selbstzweifeln beschäftigt, dass es schon langweilig wurde. Erst als sie Adam selbst kennenlernte, nahm das Buch Fahrt auf: Der beeindruckende Junge schreibt Gedichte und hat begonnen zu musizieren. Schließlich bleibt ihm nichts anderes übrig, als die wohl überlegte richterliche Entscheidung zu akzeptieren. Doch das hat Folgen, mit denen Fiona nur sehr schwer umgehen kann.
Ab dem dritten Kapitel hat mich das Buch für sich eingenommen. Da hatte ich, im Gegensatz zum Beginn, plötzlich nichts mehr am Schreibstil des Autoren auszusetzen. Aus einem langweiligen Bericht wurde plötzlich ein mitreißender Roman, den ich gerne weiterempfehle.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 09. November 2022 um 18:04

Irgendwann lese ich ihn auch. Hoffentlich.