Rezension

Psychoanalyse upgecycelt

Lieben! - Rotraut A. Perner

Lieben!
von Rotraut A. Perner

Bewertet mit 2 Sternen

Dass die Psychoanalyse nach Freud Wegbereiter vieler moderner Erklärungs- und Behandlungsansätze von psychischen Problemen ist, sei ohne Einschränkung anerkannt und dahingestellt. Dass sie aber als Grundlage für die Erklärung eines der fundamentalsten Gefühle der Menschheit (wenn nicht DES fundamentalsten Gefühls) dienen kann, hätte ich nicht gedacht und kann und will ich auch nicht glauben.

Deshalb kam bei mir auch bei der Lektüre des neuen Buches von Rotraut A. Perner (ohne deren Background zu kennen) relativ schnell Skepsis auf, weil ich mich mit den dargestellten Erklärungsansätzen nicht anfreunden konnte. Allzusehr werden hier für meinen Geschmack sämtliche Fehlverhalten im Erwachsenenalter auf Fehlverhalten der Eltern oder Bezugspersonen in früher Kindheit zurückgeführt. Zudem wird diese extrem wichtige und für viele Eltern sicherlich schönste Zeit mit dem eigenen Kind, nahezu ausschließlich durch negative Beispiele dargestellt, die aufzeigen, wie es NICHT zu laufen hat. Zwar mag alles, was die Autorin schreibt, sinnvoll sein (im Sinne von 'Sinn ergeben'), aber ein Buch, das "Lieben!" (mit Ausrufezeichen) heißt, sollte doch auch gerade für die 'richtige' Praxis Inspirationen liefern. 

Hinweise auf diese finden sich lediglich im dritten Teil des Buches 'Lieben für Meister/innen', doch hier so abgedreht (wenn ein Orgasmus nur lange genug dauert, ist man für den Rest seines Lebens 'gesättigt' und wenn wir uns 'richtig' lieben (ohne Sex), springt wortwörtlich der Funke über und wir leuchten im Dunkeln - ahja), dass ich das schon nicht mehr als seriös einstufen kann.

Im krassen Gegensatz zu den teilweise abenteuerlichen Theorien steht die extrem 'wissenschaftliche' Art der Autorin, zu schreiben. Die 'Fußnoten', die ca. ein Drittel des Buchumfangs ausmachen, gehen weit über Begriffserklärungen hinaus und werden zurecht (in für den Leser frustrierender Weise) als 'Buch im Buch' bezeichnet. So etwas habe ich noch nie gesehen. Leider kein Hinweis darauf, dass die Autorin vermag, gezielt auf den Punkt zu kommen und ihre Informationen zu priorisieren. Wohl aber ist es ihr wichtig, jedes Mal darauf hinzuweisen, wenn sie selbstständig Worte in Kursivschrift hat setzen lassen. (Auch hier: sie sollte mit ihren eigenen Worten deutlich machen, was sie sagen will, nicht durch die Markierungen in Aussagen anderer.) Es wirkt wie eine ambitionierte Hausarbeit eines Studenten, der sicherlich Fleißpunkte verdient hat, aber leider am Thema vorbei schreibt. 

Ein extrem enttäuschendes Buch, sowohl von der Form als auch vom Inhalt her.