Rezension

Psychologisch motivierter Roman über das Mobbing

Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin -

Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin
von Delphine de Vigan

Bewertet mit 4 Sternen

Die Guten haben eine Ethik, die Bösen ihre Prinzipien

„Irgendwann ist es soweit, dann ist der Preis zu hoch geworden. Dann überschreitet er die verfügbaren Mittel. Dann muss man aus dem Spiel aussteigen, sich geschlagen geben. Dann kann man sich nicht noch tiefer ducken.“

Kurzrezension

Vergangenes Jahr habe ich begonnen, mich durch die Bücher der französischen Autorin Delphine de Vigan zu lesen, nachdem ich vor allem von ihren neueren Werken so begeistert war. Aber auch die etwas älteren Storys nehmen mich gefangen und berühren etwas tief in meiner Seele, denn sie vermag es, nicht nur authentische Figuren zu schaffen, sondern immer auch eine tieferliegende Botschaft zu vermitteln.

Thematisch konzentriert sich dieses Buch auf das langanhaltende Mobbing, dem eine Angestellte ausgesetzt ist, die es einmal wagte, ihrem Vorgesetzten die Stirn zu bieten und ihm in der Öffentlichkeit widersprach. Und dann begann ganz langsam und schleichend ihr beruflicher Bankrott, weil ebenjener Chef, keinerlei Wert mehr auf das bisher gern gehörte Urteil seiner Angestellten legte, sondern sich vielmehr darum bemüht, Mathilde aus dem Weg zu räumen. Am Ende des Buches, hat sie keine Kraft mehr gegen Windmühlen zu kämpfen und ihr bleibt nur noch die Versetzung, um die sie in ihrer Verzweiflung die Personalchefin bittet, aber selbst diese wird schon wieder unterwandert …

Fazit

Ich vergebe gute 4 Lesesterne für diesen aufschlussreichen, ehrlichen, intensiven Roman über eine starke Frau, deren Kraft von einem schwachen Mann mit böswilligen Absichten langsam getilgt wird. Ich denke, wenn man selbst Erfahrungen mit diesem dunklen Kapitel beruflicher Machenschaften hat, potenziert sich die Aussagekraft des Romans noch um ein Vielfaches, während ich hier erstmals etwas tiefgreifenderes über Mobbing gelesen habe.

Stellenweise war mir die Lektüre zu depressiv oder auch deprimierend, auf Grund der eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten der Betroffenen, die sich immer mehr in die Abwärtsspirale begibt und leider niemanden hat, mit dem sie ihre Sorgen und Nöte teilen könnte. In der Mitte des Buches hatte mich die Story daher etwas verloren, doch im Verlauf nimmt sie erneut an Fahrt auf und lässt den Leser in schockierender Weise das gesamte Ausmaß psychischer Repressalien spüren, so dass man sich der Protagonistin wieder näher fühlt.

Sehr gern empfehle ich diesen Roman weiter, er zeugt von viel Menschenkenntnis, genauer Beobachtungsgabe und direktem Einfühlungsvermögen. Ein Roman, bei dem keine Fragen offen bleiben und man nur schockiert den Kopf schütteln kann, wie es immer noch möglich ist, dass einige Mitarbeiter so unscheinbar und ungesehen leiden und dennoch auf die Arbeit angewiesen sind und ihr nicht einfach den Rücken kehren können. Ein Stoff, der mich sehr zum Nachdenken anregt und klar vor Augen führt, dass persönliche Integrität auch dann von Nöten ist, wenn man nur der Zuschauer dieses perfiden Spiels ist und nur durch eine Positionierung Vieler gegen das Übel erfolgreich vorgegangen werden kann.